Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

& 84. Die ordentliche streitige Gerichtsbarkeit. 391 
sie findet nicht statt, wenn der Beamte an einem Gericht eines andern 
Staates verfolgt wird '). 
IV. Hinsichtlich der Frage, welche Personen der ordentlichen 
streitigen Gerichtsbarkeit unterworfen sind, muß man zwischen dem 
prozessualischen und dem staatsrechtlichen Gesichtspunkt 
unterscheiden. In der ersteren Beziehung handelt es sich um den 
sogenannten Gerichtsstand, d. h. um die Zuständigkeit eines oder 
mehrerer bestimmter Gerichte in einer einzelnen Prozeßsache, gleich- 
sam um die Lokalisierung und Verteilung der Gerichtsbarkeit nach 
Rücksichten der Zweckmäßigkeit und Billigkeit auf die einzelnen Ge- 
richte. Die Gerichtsbarkeit an sich muß über jemanden begründet 
sein, ehe die Frage aufgeworfen werden kann, durch welche Gerichts- 
behörde sie verwirklicht wird. Mittelbar können aber die Vorschriften 
der Prozeßordnungen über den Gerichtsstand zur Begrenzung der Ge- 
richtsbarkeit dienen; denn insofern nach diesen Vorschriften kein 
einzelnes Gericht im gegebenen Falle eine Zuständigkeit hat, ist die 
Gerichtsbarkeit selbst ausgeschlossen. Daher kommt den Regeln über 
den Gerichtsstand mittelbar allerdings eine staatsrechtliche Bedeutung 
zu; insbesondere auch eine internationale; denn insoweit sie einen 
inländischen Gerichtsstand für Ausländer oder für Personen, welche 
im Auslande ihren Wohnsitz oder Aufenthalt haben, begründen, be- 
grenzen sie zugleich die inländische Gerichtsbarkeit gegen die Gerichts- 
barkeit der anderen Staaten. Dieses mittelbare Interesse des Staats- 
rechts bietet aber keine ausreichende Rechtfertigung, um an dieser 
Stelle näher auf die komplizierte Lehre vom Gerichtsstande einzu- 
gehen, die stets als ein Teil der Prozeßrechtswissenschaft angesehen 
und behandelt worden ist. 
Vom staatsrechtlichen Gesichtspunkte aus ist dagegen die Frage, 
welche Personen der staatlichen Gerichtsbarkeit unterworfen sind, 
identisch mit der Frage, welche Personen derStaatsgewalt unter- 
worfen sind; denn die Gerichtsbarkeit als Ganzes ist ja nichts anderes 
als eine bestimmte Aeußerung der Staatsgewalt. Nur ist die Möglich- 
keit gegeben, daß der Staat auf die Ausübung dieses Hoheitsrechts 
gewissen Personen gegenüber ganz oder zum Teil verzichtet, gegen die 
er andere Herrschaftsrechie zur Geltung bringt, daß er sie von seiner 
Gerichtsbarkeit eximiert. 
Den Einzelstaatenist diese Befugnishinsichtlich 
der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit entzo- 
gen; sie dürfen keine Exemtionen erteilen’). Der Kreis der Personen, 
welche der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit unterworfen sind, 
ist durch das Reich festgestellt. Dasselbe hat lediglich folgende Be- 
1) Entsch. des Reichsgesetzes in Zivilsachen Bd. 67, S. 78. (Ein elsaß-lothr. Be- 
amter wurde beim Landgericht in Bremen verklagt.) 
2) Hiervon macht nur der in $ 18, Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes er- 
wähnte Fall eine Ausnahme. Siehe die folgende Seite Anmerkung 2.
	        
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