$ 89. Die Staatsanwaltschaft. 441
zeßordnungen normiert; sie bieten kein spezifisch staatsrechtliches In-
teresse dar. Für das Reichsstaatsrecht von Belang sind nur
die vom Reiche erlassenen Anordnungen, welche die freie Willensbe-
stimmung der Einzelstaaten hinsichtlich der Organisation dieser Be-
hörden beschränken sowie die Vorschriften über das gegenseitige Ver-
hältnis der staatsanwaltschaftlichen Behörden verschiedener Einzel-
staaten und des Reiches zueinander, welche im Interesse einheitlicher
und gleichmäßiger Handhabung der Rechtspflege im Bundesgebiet er-
lassen worden sind.
Durch die Identität der staatlichen Aufgabe, an deren Erfüllung
sowohl die Gerichte als auch die Staatsanwaltschaften mitzuwirken be-
rufen sind, ist eine Uebereinstimmung in der Gliederung beider Gat-
tungen von Behörden sowie eine gewisse Analogie der für dieselbe
erlassenen reichsgesetzlichen Vorschriften geboten. Es gelten demnach
zuvörderst auch hier die beiden obersten Grundsätze, welche die deut-
sche Gerichtsverfassung überhaupt beherrschen, nämlich:
1. Alle zum Zwecke der Rechtspflege dienenden Behörden, mithin
auch die Staatsanwaltschaften, sind Landesbehörden und ihre Mit-
glieder Landesbeamte. Ausgenommen ist allein, wie das Reichs-
gericht selbst, so die beim Reichsgericht bestehende Staatsanwaltschaft ').
Den Einzelstaaten steht daher die Einrichtung und Besetzung dieser
Behörden, die finanzielle Dotierung derselben, die Ernennung, Ent-
lassung und Pensionierung. der dazugehörenden Beamten, die Dienst-
aufsicht über dieselben, die Regelung der Disziplinar- und anderen
Dienstverhältnisse usw. zu.
2. Bei Ausübung dieser in der Staatsgewalt der Einzelstaaten ent-
haltenen Hoheitsrechte besteht aber ein erheblicher Unterschied zwi-
schen dem Gebiete der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit und den
anderen Gebieten der Rechtspflege. Die Tätigkeit der Staatsanwalt-
schaft ist nur auf ersterem reichsgesetzlich geregelt und deshalb auch
nur hier die Organisation und Gliederung der Staatsanwaltschaft in
ihren Grundzügen vom Gerichtsverfassungsgesetz vorgezeichnet worden.
Auf den übrigen Gebieten der Gerichtsbarkeit können die Einzelstaaten
sowohl die materiellen Amtsverrichtungen und Obliegenheiten der Staats-
anwälte als auch die Einrichtung der Staatsanwaltschaft nach Belieben
normieren. Die Autonomie der Einzelstaaten ist auf diesen Gebieten
eine völlig freie und demgemäß sind die kraft dieser Autonomie ge-
troffenen Anordnungen und Einrichtungen kein Gegenstand des Reichs-
1) Bei den Konsulargerichten findet in Strafsachen eine Mitwirkung der Staats-
anwaltschaft nicht statt; soweit in bürgerlichen Sachen eine Mitwirkung der Staats-
anwaltschaft erforderlich ist, werden die Verrichtungen derselben von dem Konsul
einer der zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft zugelassenen Personen oder sonst einem
achtbaren Deutschen .oder Schutzgenossen des Gerichtsbezirks übertragen. Konsular-
gerichtsbarkeitsgesetz $$ 15, 42. Ueber die Schutzgebietsgerichte siehe oben Bd. 2,
S. 301, über die Militärgerichte unten Bd.4. Die Errichtung einer Staatsanwaltschaft
in den Schutzgebieten ist in Aussicht genommen.