Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

442 8 89. Die Staatsanwaltschaft. 
staatsrechts; auf dem Gebiete der ordentlichen streitigen Gerichtsbar- 
keit dagegen sind die Einzelstaaten auch hinsichtlich der Staatsanwalt- 
schaften ziemlich beengenden Vorschriften unterworfen. 
II. Die Uebereinstimmung in der Gliederung der Gerichte und der 
Staatsanwaltschaften und das in den Prozeßordnungen geregelte Zu- 
sammenwirken beider Behörden ist reichsgesetzlich gewährleistet durch 
das im $& 142 des Gerichtsverfassungsgesetzes ausgesprochene Prinzip: 
»BeijedemGerichtesolleineStaatsanwaltschaft be- 
stehen.« Es ist nun im vorhergehenden Paragraphen dargelegt 
worden, daß das Wort Gericht einen doppelten Sinn hat, einen pro- 
zeßrechtlichen und einen staatsrechtlichen (verwaltungsrechtlichen). 
Diese Unterscheidung kehrt auch bei der Staatsanwaltschaft wieder. 
Die behördliche Organisation der Staatsanwaltschaft folgt der 
Gliederung der Gerichtsbehörden; das staatsanwaltschaftliche Amt 
dagegen wird ausgeübt bei den beschließenden und erkennenden Spruch- 
gerichten. In letzterer Hinsicht bemerken die Motive S. 163 (Hahn 
Ss. 147): »Die sachliche Zuständigkeit der verschiedenen Organe der 
Staatsanwaltschaft bestimmt sich nach der Zuständigkeit desjenigen Ge- 
richts, welchem das Organ der Staatsanwaltschaft zugeteilt ist. Maß- 
‚gebend sind diejenigen Normen, welche die Zuständigkeit der erken- 
nenden Gerichte regeln.« Dagegen entspricht der vierfachen Abstu- 
fung der Gerichte in Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht und 
Reichsgericht eine vierfache Gliederung der Staatsanwaltschaft!) und 
die örtliche Zuständigkeit der einzelnen staatsanwaltschaftlichen Be- 
hörden wird durch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt, 
für welches sie bestellt sind’). In diesem Sinne spricht das Reichs- 
gesetz von der »Staatsanwaltschaft eines Gerichts«, trotzdem es aus- 
drücklich den Grundsatz anerkennt, daß die Staatsanwaltschaft in 
ihren Amtsverrichtungen von den Gerichten unabhängig ist?). 
III. Das Gerichtsverfassungsgesetz überläßt zwar den Einzelstaaten 
die Einrichtung der Staatsanwaltschaft, es enthält aber einige Vor- 
schriften, durch welche für diese Organisation ein bestimmtes Grund- 
prinzip aufgestellt wird. Dasselbe ist dem für die Organisation der 
Gerichtsbehörden maßgebenden gerade entgegengesetzt. Die Staatsan- 
waltschaft soll nämlich eine einheitliche Behörde sein, bei wel- 
cher die ihr angehörenden Beamten den dienstlichen Weisungen ihrer 
Vorgesetzten hinsichtlich ihrer Amtsverrichtungen Folge zu leisten ver- 
pflichtet sind. Der Ausdruck »Staatsanwaltschaft« umfaßt daher die 
1) Gerichtsverfassungsgesetz $ 143. Indem das Gesetz hier neben den Amts- 
gerichten die Schöffengerichte und neben den Landgerichten die Schwurgerichte auf- 
führt, verwischt es den Gegensatz zwischen den Gerichtsbehörden und den erkennen- 
den Gerichten. 
2) Ebendaselbst $ 144, Abs. 1. 
3) Ebendaselbst 8 151. Jedoch erstreckt sich die Sitzungspolizei des Gerichts- 
vorsitzenden auch auf den Staatsanwalt. Daselbst $ 177.
	        
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