Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

450 $ 89. Die Staatsanwaltschaft. 
anwaltschaft entzieht. Allein immerhin hat die Staatsanwaltschaft im 
einzelnen Falle zu prüfen, ob nach dem ihr vorgelegten Material die 
zur Anzeige gebrachte Handlung als strafbar und als gerichtlich ver- 
folgbar zu erachten ist und ob zureichende tatsächliche Anhaltspunkte 
zum Beweise der strafbaren Handlung vorhanden sind. Wenn die 
Prüfung dieser Fragen einzig und allein der Staatsanwaltschaft über- 
lassen bleibt, so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß sich hier- 
bei andere Gesichtspunkte geltend machen als die durch die Gerechtig- 
keit gegebenen; denn der zuständige Beamte der Staatsanwaltschaft 
hat ja nicht nach eigener und unabhängiger Ueberzeugung, sondern 
nach den ihm erteilten Befehlen der ihm vorgesetzten Behörde zu 
handeln; es könnte daher die Versagung oder Gewährung des straf- 
gerichtlichen Schutzes von Parteirücksichten oder von Rücksichten 
auf die amtliche oder soziale Stellung des Beschuldigten oder von 
irgendwelchen anderen tendenziösen Erwägungen abhängig gemacht 
werden'!). Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber einen Weg eröffnet, 
um die Frage, ob im konkreten Falle die gesetzliche Pflicht der Staats- 
anwaltschaft zum Einschreiten begründet ist oder nicht, von einer 
unabhängigen,d.h. richterlichen Behörde entscheiden zu 
lassen?. Wenn die sachlich zunächst zuständige Staatsanwaltschaft 
einem bei ihr angebrachten Antrage auf Erhebung der öffentlichen 
Klage keine Folge gibt oder nach dem Abschlusse der Ermiitelungen 
die Einstellung des Verfahrens verfügt, so hat sie den Antragsteller 
unter Angabe der Gründe hiervon zu benachrichtigen). Gegen diesen 
Bescheid steht dem Antragsteller, wofern er zugleich der Verletzte 
ist*), nicht nur die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der 
Staatsanwaltschaft zu, sondern auch gegen den ablehnenden Bescheid 
des letzteren binnen einem Monat nach der Bekanntmachung der 
Antrag auf gerichtliche Entscheidung?) Zuständig zur 
1) Der Beamte der Staatsanwaltschaft ist nach Gerichtsverfassungsgesetz $ 147, 
148 verpflichtet, auch einem Befehl seines Vorgesetzten resp. der Justizverwaltung, 
eine begründete Klage nicht zu erheben, Folge zu leisten. Vgl.Löwe Anm.8 zu 
$ 152 der Strafprozeßordnung. 
2) Vgl. Fuchs in Holtzendorffs Handbuch I, S. 450 ff.; Voitus, Kommentar 
zur Strafprozeßordnung S. 211ff.; Löwe zu $ 152, Abs. 2 und besonders zu $ 170; 
Schwarze, Kommentar S. 313 ff. 
3) Strafprozeßordnung $ 169. 
4) Der Begriff des „Verletzten“ istin der Strafprozeßßordnung nicht definiert und 
in der Literatur streitig. Lö we zu 5 170, Note 5 führt aus, daß als Verletzter jeder 
anzusehen ist, in dessen Rechtssphäre die strafbare Handlung unmittelbar oder mittel- 
bar irgendwie eingegriffen hat oder im Falle der Vollendung eingegriffen haben würde. 
Ebenso Schwarze.a..a. O. S. 316 und Glaser II, S. 344fg. Dagegen fassen den 
Begriff wesentlich enger VoitusS. 212; Fuchs S. 453 und besonders John II, 
S. 408 ff. und Bennecke-Beling S. 484. 
5) Strafprozeßordnung $ 170, Abs. 1. Um frivole oder unbegründete Anträge 
möglichst zu verhüten, ist vorgeschrieben worden, daß der Antrag von einem Rechts- 
anwalt unterzeichnet sein muß.
	        
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