Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

468 $ 91. Der Gerichtsdienst. 
sonen, welche für sich oder ihre Familie Armenunterstützung'!) aus 
öffentlichen Mitteln empfangen oder in den drei letzten Jahren emp- 
fangen haben’), sowie Dienstboten®). Das Verbot, solche Personen 
zum Gerichtsdienst heranzuziehen, ist kein prozeßrechtliches, sondern 
ein verwaltungsrechtliches; d. h. es ist ein an die Behörden ge- 
richtetes Verbot, eine solche Person einzuberufen (auf die Liste zu setzen); 
wenn sie aber trotz des Verbotes an einem Urteil als Schöffe oder 
Geschworener mitgewirkt hat, so begründet dies keine Nichtigkeit des 
Urteils®). Andererseits ist das Verbot von Amts wegen zu berücksich- 
tigen und die Geltendmachung desselben an keine Frist gebunden. 
c) Ungeeignet zur Ausübung des Schöffen- oder Geschworenen- 
amtes wegen eines anderen Öffentlichen Dienstverhält- 
nisses (sogenannte Inkompatibilität) sind Minister und Mit- 
glieder der Senate der freien Hansestädte, sowie diejenigen Reichs- 
beamten und Landesbeamten, welche auf Grund der Gesetze jederzeit 
einstweilig in den Ruhestand versetzt werden können); ferner rich- 
terliche Beamte‘), Beamte der Staatsanwaltschaft und gerichtliche und 
polizeiliche Vollstreckungsbeamte ; sodann Religionsdiener und Volks- 
schullehrer und endlich die dem aktiven Heere oder der aktiven 
Marine angehörenden Militärpersonen’). Den Einzelstaaten ist es 
überdies freigestellt, im Wege der Landesgesetzgebung noch andere 
»höhere Verwaltungsbeamte« zu bezeichnen, welche zu dem Amt eines 
Schöffen oder Geschworenen nicht berufen werden sollen °). Von dieser 
Ermächtigung haben die meisten Staaten Gebrauch gemacht?). 
1) Vgl. über diesen Begriff Seufferta.a. O.S. 19 ff. 
2) Gerichtsverfassungsgesetz & 33, Ziff. 3; $ 85. Abs. 2. Maßgebend für die Fest- 
stellung des Lebensalters, Dauer des Wohnsitzes und den Empfang einer Armenunter- 
stützung ist die Zeit der Aufstellung der Urliste (siehe unten). 
3) Gerichtsverfassungsgesetz & 33, Ziff. 5; $ 85, Abs. 2. 
4) Nach der kanonistisch-scholastischen Redeweise würde man das Verbot als 
ein impedimentum impediens tantum bezeichnen können. 
5) Unter diesem Ausdruck lassen sich m. E. die auf Widerruf oder Kündigung 
angestellten Beamten nicht subsumieren. Anderer Ansicht Seuffert S. 61. 
6) Hierunter sind richterliche Justiz beamte zu verstehen, nicht Verwaltungs- 
beamte, welche ein richterliches Nebenamt versehen oder eine Verwaltungsjurisdiktion 
ausüben. Vgl. Seuffert S. 25ff. Keinen Unterschied macht es aber, ob die rich- 
terlichen Beamten an einem ordentlichen Gericht oder an einem Sondergericht an- 
gestellt sind. Vgl. Löwe Note 3a zu $ 34 des Gerichtsverfassungsgesetzes. 
7) Gerichtsverfassungsgesetz $ 34, 85, Abs. 2. Ueber den Begriff dieser zuletzt 
erwähnten Militärpersonen vgl. $ 38 des Militärgesetzes und dazu die Erörterungen 
unten $ 108. 
8) Gerichtsverfassungsgesetz & 34, Abs. 2. 
9) Vgl. von den Ausführungsgesetzen zum Gerichtsverfassungsgesetz Preußen 
& 33; Bayern S$ 23, 34; Sachsen $ 24; Württemberg Art. 19; Baden S$4; 
Hessen Art. 15; Mecklenburg-Schwerin(und Strelitz)87,27;Großh. 
Sachsen S$ 16, 24; Oldenburg Art. 1 (Fürstentum Lübeck Art. 13; Fürstentum 
Birkenfeld Art. 16); Sachsen-Meiningen 818 27; Sachsen-Altenburg 
S 20, 32; Koburg-Gotha 8 17,25; AnhaltS$ 21,32; Sondershausen $18,
	        
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