8 107. Die freiwillig übernommene Militärdienstpflicht. 191
die sowohl in sozialer als in rechtlicher Beziehung sich wesentlich
voneinander unterscheiden und die man im allgemeinen durch den
Gegensatz des höheren und niederen Militärdienstes charakterisieren
kann. Der höhere Militärdienst bietet eine Laufbahn fürs ganze
Leben; er ist ein Lebensberuf im strikten Sinne; er erfordert einer-
seits eine umfassende und sorgfältige Vorbereitung und er ermöglicht
andererseits das Aufrücken in die höchsten und einflußreichsten Stel-
lungen; die höhere Art der Dienste, die mehr auf der Intelligenz und
den Eigenschaften des Charakters als auf körperlicher Kraft beruhen,
gestattet die Fortleistung derselben auch in vorgerückteren Lebens-
jahren. Demgemäß wird die Aufnahme in den Dienst von Bedingun-
gen abhängig gemacht, welche die Qualifikation des Eintretenden sicher
stellen, und es wird das Dienstverhältnis auf Lebenszeit eingegangen;
dasselbe erlischt der Regel nach selbst dann, wenn die aktive Erfül-
lung der Dienstpflicht nicht mehr geleistet werden kann, nicht gänz-
lich, sondern dauert mit abgeschwächten Wirkungen fort. Der niedere
Militärdienst dagegen ist seinem Wesen nach auf eine begrenzte Reihe
von Jahren berechnet; so wie er eine geringere, weniger kostspielige
und weniger zeitraubende Vorbildung voraussetzt, so führt er auch
nicht über ein gewisses niedriges Niveau hinaus; so wie er vorzugs-
weise physische Kraftleistungen und Ausdauer erfordert, an Kennt-
nisse und Urteilskraft dagegen mindere Anforderungen stellt, so ver-
liert sich auch die Qualifikation mit dem höheren Alter; er bildet da-
her nicht die Laufbahn für das ganze Leben, sondern er ist gewöhn-
lich nur ein Durchgangsstadium, aus welchem man in andere Lebens-
stellungen einzutreten pflegt. Daraus ergibt sich eine Verschiedenheit
in der juristischen Gestaltung des Verhältnisses.
Die Personen des höheren und niederen (berufsmäßigen) Militär-
dienstes kann man kurz einander gegenüberstellen als Offiziere und
Unteroffiziere; nur ist dabei zu beachten, daß auch die Aspiranten
des höheren Militärdienstes regelmäßig als sogenannte Portepeefähn-
riche resp. als Seekadetten durch die Unteroffiziersstellen hindurch-
gehen müssen und daß andererseits den Unteroffizieren die Be-
förderung zu höheren Dienststellungen von Rechts wegen nicht ver-
schlossen ist.
ll. Das Dienstverhältnis der Offiziere!)
1. Die Qualifikation zum Offizier und die Ergän-
zung des Offizierkorps. Die Grundprinzipien über die Zu-
lassung zu den Offizierstellen im Heere sind enthalten in der Kabi-
nettsordre vom 6. August 1808?°). Sie stellt den Grundsatz an
1) v. Crousaz, Das Offizierkorps der preuß. Armee, Halle 1876, großenteils
veraltet. Lehmann in Hirths Annalen 1907, S. 541 ff.
2) Auszugsweise abgedruckt bei v. Helldorff, Dienstvorschriften der königl.
preuß. Armee I. Tl., 2. Abtl., S. 2.