368 $ 116. Die Reichsschulden.
tenschuld sein soll. Im übrigen hat der Reichskanzler, falls nicht
im einzelnen Falle in dem Gesetze die Ermächtigung unter anderen
Einschränkungen erteilt wird, die näheren Bestimmungen darüber zu
treffen, zu welcher Zeit, durch welche Stelle und in welchen Beträgen
die verzinsliche Anleihe ausgegeben werden soll; auch hat er die Be-
dingungen des Anleihevertrages (Zinssatz, Ausgabekurs, Kündigung)
festzusetzen und mit den Darlehensgebern zu vereinbaren ''). Die glei-
chen Vorschriften gelten auch für die Ausgabe von Schatzanweisungen
mit der Modifikation, daß ihre Umlaufszeit den Zeitraum von 6 Mo-
naten nach dem Ablaufe des betreffenden liechnungsjahres nicht über-
schreiten dürfe, wenn sie zur vorübergehenden Verstärkung der ordent-
lichen Betriebsmittel der Reichshauptkasse, also zu ihrem eigentlichen
Zweck, bestimmt sind ?).
Für Schatzanweisungen, welche zu anderen Zwecken die-
nen sollen, also insbesondere für langfristige, zur Vertretung von An-
leihen bestimmten Schatzanweisungen, ist der Reichskanzler befugt,
den Zinssatz und die Umlaufszeit frei zu bestimmen. Der Fälligkeits-
termin ist in den Schatzanweisungen anzugeben. 8 7 Abs. 1. Der
Reichskanzler kann anordnen, daß Schatzanweisungen wiederholt,
jedoch nur zur Deckung der in den Verkehr gelangten Schatzanwei-
sungen ausgegeben werden; die Verzinsung der neuen, zur Einlösung
von fällig werdenden Schatzanweisungen bestimmten Schuldpapiere
darf nicht vor dem Zeitpunkte beginnen, mit dem die Verzinsung der
einzulösenden Schatzanweisungen aufhört).
Früher erhielt der Reichskanzler außer der im Reichsgesetz ihnı
erteilten Vollmacht noch eine zweite Vollmacht durch einen von ihm
gegengezeichneten kaiserlichen Erlaß. Alle diese nach demselben For-
mular abgefaßten Erlasse genehmigten auf Grund der darin bezeich-
neten Gesetze die Aufnahme der Anleihe, bestimmten die Beträge,
über welche die auszugebenden Schuldverschreibungen lauten sollen,
sowie die Höhe und Zahlungstermine der Zinsen; sie wiederholten
die in den Anleihegesetzen enthaltenen Anordnungen über die Tilgung
und sie ermächtigten den Reichskanzler, die weiteren Anordnungen
zu treffen. Diese kaiserlichen Erlasse hatten daher vollkommen den-
selben Inhalt wie die Anleihegesetze, und es war unbestreitbar eine
formelle Regelwidrigkeit, daß dieselbe Anordnung zweimal er-
lassen, der bereits reichsgesetzlich ermächtigte Reichskanzler nochmals
ermächtigt wurde. Der Grund für dieses sonderbare Verfahren war
darin zu suchen, daß gemäß $ 2 des Gesetzes vom 9. November 1867,
der in allen folgenden Anleihegesetzen stets in Bezug genommen ist,
die Reichsschuldenverwaltung die Schuldverschreibungen und Zins-
1) Reichsschuldenordnung 8 2. 2) Daselbst 8 7, Abs. 3.
3) Reichsschuldenordnung 8 7 Abs. 2 in der Fassung des Reichsgesetzes vom
22. Februar 1904 (Reichsgesetzbl. S. 66).