Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

492 8 122. Die Erbschafts- und Schenkungssteuer. 
durchweg den Grundsatz aufstellt, daß die von dem Reich mit einer 
Steuer belegten oder reichsgesetzlich von der Steuer befreiten Gegen- 
stände, Urkunden usw. einer Besteuerung durch die Bundessstaaten 
entzogen sind, macht das Erbschaftssteuergesetz davon eine doppelte 
Ausnahme. 
a) Die Bundesstaaten sind befugt, von den Deszendenten und dem 
Ehegatten des Erblassers eine Erbschaftssteuer zu erheben mit der 
alleinigen Beschränkung, daß von Kindern, denen die rechtliche Stel- 
lung ehelicher Kinder zukommt, und eingekindschafteten Kindern, so- 
wie von Abkömmlingen solcher Kinder nur insoweit, als die gleichen 
Abgaben auch von ehelichen Kindern erhoben werden. 8 59. Das 
Reichsgesetz hat also nicht nur die zur Zeit seines Inkrafttretens in 
einzelnen Bundesstaaten bestehende Besteuerung der Deszendenten und 
Ehegatten aufrecht erhalten, sondern die Bundesstaaten ermächtigt, 
sie nach Belieben zu erhöhen oder neu einzuführen!). 
b) Die Bundesstaaten sind ferner ermächtigt, für eigene Rechnung 
Zuschläge zu der nach den Vorschriften des Reichsgesetzes veranlagten 
Steuer ohne jede Beschränkung hinsichtlich ihrer Höhe zu erheben. 
S 982). 
B. Die Schenkungssteuer?). 
1. Schenkungen unter Lebenden unterliegen der gleichen Steuer 
wie der Erwerb von Todes wegen mit der Maßgabe, daß an Stelle des 
Verhältnisses des Erblassers und des Erwerbers die Verhältnisse des 
Schenkers und des Beschenkten berücksichtigt werden. 8 55, Abs. 1. 
Einer Schenkung unter Lebenden steht gleich das in einem Stif- 
tungsgeschäft unter Lebenden von dem Stifter zugesicherte und auf 
die Stiftung übergegangene Vermögen. 8 55, Abs. 3. 
2. Außer den in dem Gesetz vorgesehenen Fällen tritt Befrei- 
ung von der Steuer ein bei Schenkungen an Bedürftige zum Zweck 
ihres Unterhalts oder ihrer Ausbildung, sowie bei Schenkungen, welche 
einer sittlichen Pflicht oder Anstandspflicht entsprechen. Befreit bleiben 
auch Schenkungen beweglicher Sachen im Werte von nicht mehr als 
3000 Mark an Verwandte oder Verschwägerte ($ 10 I—IV), sofern die 
Sachen dem persönlichen Gebrauche des Beschenkten oder seiner Fa- 
milienangehörigen zu dienen bestimmt sind. 8 56, Abs. 2. 
3. Die Anmeldung der Schenkung bedarf es nicht, wenn die 
Schenkung gerichtlich oder notariell beurkundet ist. eod. Abs. 3. 
4. Die Ermächtigung der Bundesstaaten, die Erbschaftssteuer auf 
— 
1) Ueber die in den Bundesstaaten zurzeit bestehenden Erbschaftssteuern für 
Deszendenten und Ehegatten siehe Zimmermann in Fleischmanns Wörterbuch 
Bd. LS. 741. 
2) Von dieser Ermächtigung haben nur Lübeck und Elsaß-Lothringen Gebrauch 
gemacht. Siehe Zimmermanna.a. O. Die Reichserbschaftssteuer ist bereits so 
hoch, namentlich bei den progressiven Steuererhöhungen, daß die Bundesstaaten 
davon Abstand nehmen müssen, auch noch ihrerseits Zuschläge zu erheben. 
3) Ausführungsbestimmungen $$ 30 ff.
	        
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