Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Vierter Band. (4)

$ 127. Die Matrikularbeiträge. 521 
Im Jahre 1868 beschloß der Bundesrat des Norddeutschen Bundes, 
daB die sortsanwesende staatsangehörige Bevölkerung« 
der Berechnung der Matrikularbeiträge zugrunde zu legen sei'). Ab- 
gesehen von dem Bedenken, ob es sachlich irgendwie berechtigt ist, 
bei der Verteilung der Beiträge die Staatsangehörigkeit der in 
den Gebieten der Einzelstaaten sich aufhaltenden Personen in Be- 
tracht zu ziehen?), ist durch dieses Verfahren die Inkongruenz ent- 
standen, daß bei der Verteilung der Matrikularbeiträge ein anderer 
Maßstab zur Anwendung kam, wie bei der Abrechnung unter den 
Zollvereinsstaaten. Man hat daher den ursprünglichen Berechnungs- 
modus wieder verlassen und nach einem im Bundesrat zuerst für das 
Jahr 1874 getroffenen und vom Reichstage gebilligten Uebereinkommen 
den Grundsatz zur Anerkennung gebracht, daß die ortsanwesende 
Bevölkerung (ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit) der Berech- 
nung zugrunde zu legen sei?). Solange die Erträge der Zölle und ge- 
wisser Steuern mit den Matrikularbeiträgen zur Kompensation kamen, 
war die Zugrundelegung einer und derselben Bevölkerungsziffer für 
beide Verteilungen selbstverständlich, und der Bundesrat hat demge- 
mäß am 28. März 1882 den Beschluß erneuert, daß die definitive Fest- 
stellung der Matrikularbeiträge, ebenso wie die Abrechnung über die 
gemeinsamen Zoll- und Steuereinnahmen nach Maßgabe der orts- 
anwesenden Bevölkerung zu erfolgen habe‘). 
IV. Infolge der sozietätsmäßigen Gestaltung der Finanzwirtschaft 
des Reiches besteht zwischen der Reichskasse und den Landeshaupt- 
kassen ein dauerndes Abrechnungsverhältnis. Einerseits erheben die 
Staaten für Rechnung des Reiches Einnahmen an Zöllen, Verbrauchs- 
abgaben, Wechsel- und Stempel-Steuern, Erbschaftssteuer usw., Gebüh- 
ren und anderen Verwaltungseinnahmen, welche nebst den Aversen 
für Zölle und Verbrauchsabgaben, beziehentlich für die Biersteuer, und 
den Matrikularbeiträgen, sowie den etwa aus der Reichskasse emp- 
fangenen baren Vorschüssen und den von einzelnen Staaten zu lei- 
stenden Präzipualbeiträgen das Debet der Landeskassen bilden; an- 
dererseits leisten sie für Rechnung des Reiches Ausgaben, insbesondere 
diejenigen Staaten, welche eigene Heeresverwaltung führen; und sie 
haben Ansprüche auf Erstattung der von ihnen für Rechnung des 
Reiches geleisteten Zahlungen, auf die ihnen zur Vergütung der Er- 
1) Nach diesem Maßstabe ist in dem Bundesetat für 1870 die Veranschlagung 
erfolgt (Drucksachen des Reichstages 1869, Nr. 69 a. E., S. 246). 
2) Der Reichstag sprach sich in einer Resolution dagegen aus (Stenogr. Ber. 
1871, II. Sess. Bd. I, S. 647). 
5) Vgl. die Berechnung der definitiven Höhe der Matrikularbeiträge in der „Ueber- 
sicht der Ausgaben und Einnahmen usw.“ für das Jahr 1874, Anlage V, S. 125. 
4) Der Reichskanzler ist nicht verpflichtet, die Matrikularbeiträge in ihrem 
vollen budgetmäßigen Betrage zu erheben. Liefern die sogenannten eigenen Reichs- 
einnahmequellen unerwartete Ueberschüsse, so können die Matrikularbeiträge teilweise 
unerhoben bleiben, nur müssen alle Staaten in dieser Beziehung gleichmäßig behandelt 
werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.