Full text: Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und vom 16. April 1871.

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ihrem schlimmsten Fehler, dem suspensiven Veto des 
Kaisers, bewahrt geblieben, dann vielleicht hätte man 
Recht gehabt, vor dem neuen Reiche dem deutschen 
Staatsbau der Paulskirche den Vorzug zu geben. Jeden- 
falls würde dann das deutsche Kaisertum auch im 
formell juristischen Sinne mit grösserem Rechte, als es 
heute leider der Fall ist, seinen grossen Namen getragen 
haben. Doch was dem Kaisertum von 1871 sein ver- 
fassungsmässiger Rechtsgrund nicht gibt, das ersetzt 
ihm vollauf seine grosse moralische und politische Be- 
deutung. Wenn es auch als rein monarchische Staats- 
gewalt nicht wieder aufleben konnte, so sichert es doch 
ebenso gut, wie es das mächtigste monarchische Staats- 
system nur vermocht hätte, dem deutschen Volke den 
ihm gebührenden Einfluss im Rate der Völker. Und auch 
im inneren deutschen Staatsleben hat die Kaiseridee 
sich so kraftvoll erwiesen, dass im Bewusstsein der 
Nation jetzt allenthalben der Kaiser als der Mittel- 
punkt des gesamten staatlichen Lebens erscheint. Die 
im juristischen Sinne grössere Bedeutung des Bundesrats 
tritt dagegen wesentlich zurück. Wie so oft ist hier das 
formelle Recht der Macht der tatsächlichen Verhältnisse 
unterlegen. Man kann das von einem höheren Stand- 
punkte aus, als es der des formellen Rechts ist, auch 
nicht bedauern. Denn dieGeschichte der letzten 30 Jahre 
hat bewiesen, dass das deutsche Kaisertum, gegründet 
auf die preussische Hausmacht und das stets bewährte 
Hohenzollernsche Pflichtgefühl, seiner Aufgabe ge- 
wachsen ist und bleiben wird, „allzeit Mehrer des 
Deutschen Reiches zu sein, nicht an kriegerischen 
Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des 
Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Frei- 
heit und Gesittung“.
	        
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