Einleitung. XIX
nahm man Abstand. Man beschränkte sich vielmehr auf eine Revision
des alten Handelsgesetzbuchs und fügte als neue Abschnitte nur ein
die Abschnitte (damals „Titel“) über die Handlungsagenten und über das
Lagerschäst, auch regelte man die Verhältnisse der Privathandelsmäkler.
Das Seerecht sollte zudem sachlich fast unverändert bleiben, die Befriedigung
eines Bedürfnisses für sachliche Anderungen sollte „zunächst noch verschoben
werden, um die Fülle der Aufgaben, welche die Gesetzgebung auf dem
Gebiete des Privatrechts ohnehin zu bewältigen hat, nicht über Gebühr
zu vermehren“.#)
Die Revision sollte zur Aufgabe haben, einerseits die Vorschriften
des Handelsgesetzbuchs mit dem Inhalte des Bürgerlichen Gesetzbuchs in
Einklang zu bringen, andererseits diejenigen Anderungen und Ergänzungen
des Handelsgesetzbuchs vorzunehmen, welche sich nach den Erfahrungen in
dem Zeitraume von über dreißig Jahren, der seit dem Zustandekommen
des Gesetzbuchs verstrichen ist, als wünschenswert gezeigt haben.“2)
Was den ersten Teil der Aufgabe betraf, so schloß er eine Ver-
minderung des dem Handelsgesetzbuch zufallenden Rechtsstoffes in sich,
da infolge der Herübernahme zahlreicher Grundsätze in das Bürgerliche
Gesetzbuch, ) zumal das bisherige vierte Buch starke Kürzungen erfahren
mußte. Durch das Bürgerliche Gesetzbuch wurde das Handelsgesetzbuch zu
einem wirklichen Nebengesetze, das in Fragen grundlegender Art vielfach
auf das Bürgerliche Gesetzbuch verwies. Es verlor damit jene abgerundete
Gestalt, die dem Kaufmannsstande den Gebrauch des Gesetzbuchs so bequem
gemacht hatte.
Der zweite Teil der Aufgabe brachte umgekehrt eine Vermehrung
des Rechtsstoffes, die sich zumal im Firmenrecht und Aktienrecht stark be-
merklich machen mußte.
Der im Reichs-Justizamt aufgestellte Entwurf, welcher den Inhalt
der ersten vier Bücher des alten Handelsgesetzbuchs betraf, gelangte im
Herbst 1895 zum Abschluß. Dieser aus 414 Paragraphen bestehende,
mit einer „Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das
Deutsche Reich" versehene Entwurf":) wurde als „Vorarbeit“ der begut-
achtenden Beratung einer Kommission unterbreitet, die sich aus Juristen 5),
Kaufleuten und Industriellen 6ö) zusammensetzte und zu der auch Vertreter
1) Denkschrift zum Entwurf I S. 4.
2) Denkschrift zum Entwurf I S. 3.
3) Hierüber J. Rießer, der Einfluß handelsrechtlicher Ideen auf den Entwurf
eines Bürgerichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, 1894.
!) Weder der Entwurf noch die Begründung sind in den Buchhandel gelangt.
5) Darunter der Reichsgerichtsrat Bolze, der badische Landgerichtsrat
Düringer, der Professor Gierke, der Justizrat Heiliger (Köln), der mecklen-
burgische Fussterlahsal Langfeld, der preußische Landgerichtsrat Munk, der
Justizrat Pemsel (München), der Rechtsanwalt J. Nießer, der hanseatische Ober-
lanbesgerichtspräfident Sieveking, der württembergische Oberlandesgerichtsrat
eie
6) Darunter Bueck, Generalsekretär des Zentralverbandes deutscher Industrieller
in Berlin, Geh. Kommerzienrat Frentzel (Berlin), Geh. Kommerzienrat Georßê
(Plauen), Geh. Kommerzienrat Michel (Mainz), Geh. Kommerzienrat Michels
(Köln), Vankdirektor Petri (Straßburg), Generalkonsul Russell (Berlin), Kaufmann
Schütte (Bremen), Kommerzienrat Weidert (München).
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