Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

§* 54 (Nr. 9—11). 5. Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht. 201 
in der Art betreiben. Umgekehrt kann nicht vom Standpunkt des individuellen 
Handelsgewerbes die Grenze zu Ungunsten der Vollmacht gezogen werden. Viel- 
mehr kommt es darauf an, welche Geschäfte im Handelsgewerbe derselben Art ab- 
geschlofsen zu werden pflegen (Striethorst LXX S. 357). Nach dem Standpunkt 
der üblichkeit wird es insbesondere zu beurteilen sein, wie weit Zahlungsentgegen- 
nahmen, Reklamationen, Vergleiche, Stundungen, Anerkenntnisse usw. zu den ge- 
wöhnlichen Geschäften gehören (vgl. z. B. R.O. H.G. XV S. 305, Seuffert LIV 
Nr. 95, Apt I S. 8, Riesenfeld l Nr. 6ff., O. L. G. Karlsruhe bei Kaufmann 
VI S. 25, 26, Gerhard, Praxis des Versicherungsrechts III S. 114). Auch die 8§P 55, 
56 können hier herangezogen werden, da das für Spezialhandlungsvollmachten 
Aufgestellte jedenfalls üi Generalhandlungsvollmachten Anwendung finden kann. 
Ebenso wird Abs. 2 insofern einen gewissen Maßstab abgeben, als die den dort 
aufgezählten Geschäften verwandten Geschäfte, z. B. der Erwerb von Grundstücken, 
die Eingehung von Bürgschaften, das Akzept von kaufmännischen Anweisungen, 
die Ausstellung oder Indossierung von Schecks, das depositum irregulare, nicht 
erade regelmäßig zu den ghewäheneden Geschäften gehören werden. Doch ist hier 
tets die Natur des konkreten Handelsgewerbes zu betrachten, z. B. beim Grund- 
stücksspekulanten das Immobiliengeschäft zu den gewöhnlichen Geschäften zu zählen. 
Auch Usancen können in Frage kommen. Nach Aptl S. 8 soll ein Filialleiter 
im Zweifel nicht zur Erteilung von Aufträgen zu fortlaufenden Reklamen bevoll- 
mächsigt sein, nach Frantsurter Handelsgebräuchen 1906 S. 29 ein Weinreisender nicht 
zur Ubertragung des Alleinverkaufs an auswärtige Kunden. 
b) Spezialhandlungsvollmacht, d. Vollmacht zur Vornahme einer be- 
stimmten Art von Handelsgeschäften, z. B. zum Abschluß von Verkäufen, Dienst- 
verträgen oder Versicherungsverträgen, Frachtverträgen, zur Entgegennahme von 
Zahlungen usw., sei es für das ganze Handelsgewerbe, sei es nur für einen be- 
stimmten Teil desselben (Beispiele: Zahlkellner, Pferdebahnkondukteure, Kassierer, 
Ladenverkäufer, Betriebsdirektoren, Handlungsreisende § 55). Ihre Vollmacht er- 
streckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die die Vornahme derartiger 
Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt, wobei die besondere finanzielle Tragweite 
die Geschäfte als außerhalb des betreffenden Geschäftskreises liegend erscheinen 
lassen kann (R.G. Z. LII Nr. 23, L. Z. 1911 S. 221). Demnach haben sie Inkasso- 
vollmacht, Vollmacht zur Stundung, Vergleichsbewilligung, zum Umtausch usw., 
wo eine solche gewöhnlich mit der Vollmacht zum Abschluß von Verkäufen ver- 
bunden ist, was bei den einzelnen Handelsgewerben sehr verschieden liegen kann, 
z. B. bei der Vollmacht der Kellner eines Restaurants anders als bei der des 
Stadtreisenden eines Warenhauses oder des Verkäufers eines Getreidegeschäfts (val. 
Apt I S. 329, 433). Für die Beurteilung des Gewöhnlichen wird nach dem oben 
Gesagten großes Gewicht auf den allgemeinen Geschäftsgebrauch zu legen sein, 
weil der Prinzipal, indem er eine bestimmte Klasse von Geschäften dem Bevoll- 
mächtigten zuweist, eine objektive Abgrenzung gibt. Meist werden derartige Per- 
sonen in einem Gehilfenverhältnis zum Prinzipal stehen und der Dienstvertrag 
wird die Art der Handelsgeschäfte, für die sie Vollmacht haben sollen, ausdrücklich 
angeben oder deutlich ersehen lassen, aber notwendig ist eine Gehilfenstellung nicht. 
» c) Einzelhandlungsvollmacht, d. h. Vollmacht zu einem Handelsgeschäft oder 
Einzelhandelsgeschäften, z. B. zum Abschluß eines Börsengeschäftes, zum Ankauf 
eines Grundstücks, zum Verkauf einer Ware, zu einem Vergleiche (vgl. R.G. im 
Recht 07 S. 5821221 —= Gruchot LI S. 1073). Hierhin gehören auch die besonderen 
Vollmachten zu den in Abs. 2 aufgeführten Geschäften (v. Hahn § 16 zu Art. 47). Hier 
erstreckt sich die Vollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die die Vor- 
nahme eines derartigen Geschäftes gewöhnlich mit sich bringt (z. B. bei Vollmacht 
zur Prozeßführung die Vollmacht zum Vergleich, zur Erklärung über Annahme 
eines Eides (3.P.O. & 81, Allfeld S. 281, dagegen nicht zur Vornahme von 
Handlungen, die der Prinzipal selbst vornehmen muß, z. B. Eidesleistung). Aus 
der Fassung des Gesetzes folgt ohne weiteres, daß nur solche Geschäfte gemeint sein 
können, die zu ihrer Ausführung weitere Geschäfte und Rechtshandlungen not.- 
wendig oder möglicherweise mit sich bringen. Wo das Geschäft, zu dem Vollmacht 
erteilt ist, in einer bestimmten isolierten Einzelhandlung besteht, z. B. Kündigung, 
ist § 54 nicht anwendbar. Hinsichtlich des Uberbringers einer Quittung vgl. Anhang 
  
Nr. 10. 
Nr. 11.
	        
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