Nr. 1.
Nr. 2.
240 I. Buch. Handelsstand. 5 70 (Nr. 1—2).
8 70.
Das Dienstverhältnis kann von jedem Teile ohne Einhaltung einer
Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Wird die Kündigung durch vertragswidriges Verhalten des anderen
Teiles veranlaßt, so ist dieser zum Ersatze des durch die Aufhebung des
Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.
Entw. I § 63, II 5 69; Denkschr. I S. 63, II S. 3170; A.D.H.G. B. Art. 62.
Literatur: Reinhard, der einseitige Rücktritt vom Dienstvertrag im Sächs.
Archiv für bürgerl. Recht VII S. Zff.
§ 70 wiederholt wörtlich die S§ 626, 628 Abs. 2 des B. G. B. Einer eingehenden
Erläuterung bedarf er somit nicht. Nur drei Punkte sind zu besprechen: Die Natur
dieser Kündigung, der Begriff des wichtigen Grundes und die Folgen der
Aufhebung des Vertrages.
1. Kündigung. Die Kündigung des § 70 enthält die Erklärung der einseitigen
Aufhebung des Vertrages. Durch die Kündigung löst der Kündigende (ist es der
Prinzipal, der „Entlassende“, ist es der Gehilfe, der „Austretende"), vorausgesetzt,
daß ein wichtiger Grund vorliegt, das Dienstverhältnis. Das richterliche Er-
kenntnis, sei es auf Grund einer Feststellungs-, sei es einer Leistungsklage, hat nicht
konstitutive, sondern nur deklarative Kraft, es stellt nur fest, ob zur Zeit der Kün-
digung ein wichtiger Grund vorlag. Die Kündigung, die auch vor Antritt des
Dienstverhältnisses und umgekehrt nach der zu einem späteren Termin ausgesprochenen
Kündigung bei Eintritt eines neuen wichtigen Grundes von neuem erfolgen
kann (Adler-Clemens Nr. 1120, O.L.G. Stettin im Recht 06, S. 50 Nr. 26), hat
nur die deutliche Aufhebungserklärung zu enthalten, einer Angabe des Grundes be-
darf es nicht und statt des angegebenen Grundes können im Falle des Prozesses
andere, zur Zeit der Kündigung vorhanden gewesene Gründe geltend gemacht
werden (R.O.H.G. XXI Nr. 82, XVII Nr. 48, O.L. G. Hamburg in H.-G. Z. V (1884)
S. 244, O. L. G. Frankfurt in Z. XXXIV S. 574, O.L.G. Dresden in O. L. G. Rspr. III
S. 79, O L.G. Bamberg ebenda V S. 268, O. L.G. Kiel ebenda VII S. 384,
O.L.G. Braunschweig ebenda XXI S. 383). Auch, daß die Gründe dem
Kündigenden bekannt waren, ist nicht notwendig, es kommt nur auf ihr Vor-
andensein an (O.L.G. Karlsruhe in Z. XXXIV. S. 575, O.L.G. Dresden in
.L. G. Rspr. III S. 79). Die Kündigung kann mündlich und schriftlich, ja auch
durch konkludente Handlungen (Nichtweiterarbeitenlassen, dagegen noch nicht Nicht-
zahlung des Gehaltes) erfolgen (Adler-Clemens Nr. 1418). Vgl. hierüber bei
§ 66, Nr. 4. Die Kündigung kann für sofort oder für einen späteren Zeitpunkt
ergehen (O. L. G. Kiel in O.L.G. Rspr. VII S. 384, R.G.. LVI S. 373, R.G. bei
Seuffert LXV Nr. 193, L. Z. 1912 S. 221). Der spätere Zeitpunkt kann vor dem
Zeitpunkt des Gesetzes (§8 66, 67) liegen (anders z. T. die Praxis der kaufmmmischen
Gerichte). — Mit dem in der gerechtfertigten Kündigung angegebenen Zeitpunkt ist
das Dienstverhältnis gelöst, der Handlungsgehilfe untersteht von nun ab nicht
mehr dem Verbot des Konkurrenzbetriebes (5 60) und ist zu weiteren Diensten nicht
verpflichtet. Das Recht auf Kündigung wegen wichtigen Grundes steht kraft
zwingenden Rechts zu (R.G.Z. LXIX S. 365, vgl. LXXV S. 234). 4
2. Wichtige Gründe umfassen alle Fälle, in denen „eine wesentliche Anderung
der bei Eingehung des Vertrages (von beiden Teilen) mutmaßlich gewürdigten
Umstände“ (Mot. zum Entw. I des B. G. B. II S. 469) eintritt. Im übrigen kommt
es auf den einzelnen Fall an. Die Entscheidung des Richters betrifft insofern eine
Tatfrage, als die Erwägung aller in Betracht kommenden Verhältnisse im wesent-
lichen dem Gebiet des Tatsächlichen angehört, die daraus zu ziehenden Schluß-
folgerungen fallen freilich in das Gebiet des Rechtlichen (zu weit gehend R.O. H.G.
X Nr. 40, XIX Nr. 38, R.G.. X S. 186). Der Engagementsvertrag kann auch
Tatsachen zu wichtigen Gründen stempeln, die es an sich nicht sind (vgl. O.L.G. Ham-
burg in Seuffert I-VIII Nr. 83; bei Reisenden nach objektivem Maßstab ungenügen-
des Resultat der Reisetätigkeit, R.G. in L. Z. 1911 S. 305). Nur darf nicht die reine