5 71 (Nr. 2—5). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 245
hat, die ihn dienstunfähig macht, ist zu bejahen, sofern in dem Verschulden nicht
geradezu eine Vertragswidrigkeit liegt (vgl. R.G. in Gruchot LIV S. 933). Letzteren-
falls kann er den ertrag nicht aufheben, er ist vielmehr schadensersatzpflichtig.
Die Unfähigkeit braucht nicht eine absolute Arbeitsunfähigkeit zu sein, es genügt
Unfähigkeit zur Fortsetzung der ihm obliegenden Dienste (Fuld S. 81). Doch muß
es sich um wirkliche Unfähigkeit handeln, bloß vorübergehende Verhinderung genügt
nicht. Durch Vertrag kann dieses Kündigungsrecht nicht für die Zukunft aus-
geschlossen werden (B.G.B. 5 138).
2. Nichtgewährung von Gehalt oder Unterhalt. Unter Gehalt ist hier auch
die Provision und Tantième, unter Nichtgewährung auch teilweise Nichtgewährung,
demnach bei Unterhalt Verabfolgung von geringerem oder schlechterem Unterhalt
zu verstehen. Nichtgewährung liegt nicht bloß dann vor, wenn eine bewußte Ver-
weigerung auf Anfordern erfolgt, sondern auch dann, wenn ohne Anfordern des
Gehilfen Tuotze von Unachtsamkeit die Verabreichung unterbleibt, was insbesondere
beim Unterhalt von Bedeutung ist. Doch darf es sich dann nicht bloß um einen
einzelnen Fall handeln, sondern es muß fortgesetztes Unterlassen vorliegen. Bloße
Verarmung des Prinzipals genügt an sich nicht, so lange der Gehalt gewährt
wird. Unter einen verwandten Gesichtspunkt fällt die Schmälerung des Gehalts
eines auf Provision angestellten, mit der ausschließlichen Vertretung innerhalb eines
Bezirkes beauftragten Reisenden durch Bestellung eines zweiten Reisenden für den-
elben Bezirk (vgl. O. L. G. Colmar im Recht 02, S. 594). Verwandlung von Ver-
auensspesen in feste Spesen ist nur dann Gehaltöverweigerung, wenn die festen
Spesen nicht angemessen sind (O. L.G. Braunschweig. in O. L. G. Rspr. XIX, S. 302,
oben §& 64 Nr. 3).
3. Verweigerung der dem Prinzipal nach §& 62 obliegenden Pflichten. Hier
wird nicht bloß bei ausdrücklicher Weigerung des Prinzipals, diesen Pflichten nach-
ukommen, sondern auch dann das Austrittsrecht zu gewähren sein, wenn der
rinzipal bei scheinbarer Bereitwilligkeit tatsächlich die Anordnung vorzunehmen
unterläßt (Komm. Ber. S. 3885) oder wenn er die Anordnung nachträglich wieder
beseitigt. Andernfalls wäre eine Umgehung der Nr. 3 unvermeidlich. Auch Weigerung,
die ihm nach B. B. G. 5 617 obliegende Verpflichtung zu erfüllen, kann einen
Kündigungsgrund bilden. Verweigerung setzt in der Regel besondere Aufforderung
des Ehibsen voraus (R.G. in L.. 1912, S. 453 = Warneyer 1912 Nr. 267),
doch is dies nicht notwendig. Wissentliche Unterlassung der Beseitigung schwerer
Mißstände ist auch ohne Aufforderung Kündigungsgrund (Düringer-Hachenburg
Anm. 4). Ein vertragsmäßiger Vorausverzicht auf dieses Kündigungsrecht ist nicht
zulässig (§ 62 Abf. 4).
Nr. 3.
Nr. 4.
4. Tätlichkeiten Usw. Soweit nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung Nr. 5.
geseuhshen (vgl. O. L.G. Hamburg in O.L.G. Rspr. IX. S. 251, wo der durch Nach-
lä sigeeiten des Scilfen in lebhafter Geschäftszeit gereizte Prinzipal dem Gehilfen,
der ihm sagte „Ich bin nicht Ihr dummer Junge“ erwiderte „Sie sind dümmer
als ein dummer Junge“), berechtigt jede Tätlichkeit des Prinzipals, auch eine
leichte, den Gehilfen zum Austritt, da egen nicht jede Ehrverletzung, sondern nur
eine erhebliche. Der Begriff der Erheblichkeit il nach Lage des Falles abzuwägen
(Bildungsgrad des Gehilfen, Art des Geschäftes, der Stellung, Alter des Gehilfen
usw. vgl. z. B. O. L. G. Darmstadt in O. L.G. Rspr. XII S. 268, wo die vom Prinzipal
einem jüngeren Handlungsgehilfen gegenüber getane Außerung, er solle machen,
daß er zum Teufel käme, nicht als wichtiger Grund angesehen wurde). Die Ehr-
verletzung kann in Worten und in Handlungen (z. B. ungerechifertigter Entziehung
der Prokura, Seuffert XXXXIV S. 58, O.L. G. Hamburg in H. G. S. XV (1894)
S. 284) bestehen. Sie kann sich in einer Handlung oder im ganzen Benehmen
(symbolische eleidigungen) ausprägen. Der kriminelle Begriff der Beleidigung
deckt sich nicht mit dem Begriff der Ehrverletzung im Sinne des § 71 (R.G. in
IJ.W. 1892, S. 482 ½), wie umgekehrt erhebliche Ehrverletzung vorliegen kann, ohne
daß der strafrechtliche Begriff der Beleidigung konsumiert ist (vgl. Staub-Bondi
Anm. ö). — Unsittliche Zumutung ist enger als Verleitung zu unsittlichen
Handlungen, es handelt sich um ein von dem Prinzipal an den Handlungsgehilfen
gestelltes Begehren, unsittliche Handlungen mit sich vornehmen zu lassen oder
ritten gegenüber zu begehen. Doch bildet möglicherweise auch die Verleitung &
unsittlichen oder ungesetzlichen Handlungen einen Kündigungsgrund (vgl. G.O.