Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

Nr. 6. 
Nr. 7. 
246 I. Buch. Handelsstand. 5 71 (Nr. 5—7), § 72. 
5 124 Nr. 3). — Der Prinzipal ist ferner verpflichtet, den Handlungsgehilfen gegen 
Tätlichkeiten, erhebliche Ehrverletzungen und unsittliche Zumutungen seitens eines 
anderen Angestellten oder eines Familienangehörigen zuschützen. Unter 
anderen Angestellten sind nicht bloß Handlungsgehilfen, sondern auch sonstige im 
selben Geschäft angestellte, der Autorität des Prinzipals unterstehende Personen zu 
verstehen, unter Familienangehörigen auch das Gesinde des Prinzipals, ebenso ein 
zu vorübergehendem Besuch weilender Gast. Die Weigerung des Prinzipals ist 
Kündigungsgrund, doch kann auch trotz Bereitschaft des Prinzipals dessen Un- 
vermögen zur Kündigung berechtigen. Ob der Pinzipal bona oder mala fide bei 
der Weigerung ist, ist nicht entscheidend (Staub- Bondi Anm. 5). Die bloße 
einzelne Tatsache einer Tätlichkeit usw. seitens eines anderen Angestellten genügt 
nicht (Komm. Ber. S. 3885, vgl. L.G. Magdeburg bei Kaufmann I1 S. 183), der 
Gehilfe muß beim Prinzipal erst um Schutz nachsuchen. Doch ist der Chef nicht 
verpflichtet, sich in alle läppischen Differenzen unter Angestellten einzumischen. — Wie 
weit Tätlichkeiten usw. gegen Familienglieder des Handlungsgehilfen Kündigungs- 
grund sind, ist nach Lage des Falles zu erwägen (vgl. G.O. § 124 Nr. 2, 3). — 
Durch Vertrag kann auf dieses Kündigungsrecht nicht im voraus verzichtet werden. 
5. Auch senstige Gründe können in Betracht kommen. Insbesondere ist Tod 
des Prinzipals dann ein wichti er Grund, wenn die Persönlichkeit desselben für 
das Dienstverhältnis eine Rolle Selte (von Hahn zu Art. 63 §5 2, Düringer- 
Hachenburg § 70 Anm. 12), was freilich nur ausnahmsweise der Fall sein wird 
(vgl. B.G.B. §§ 675, 672). Uber den Fall des Konkurses des Prinzipals K.O. 
8 22, wobei aber nicht ausgeschlossen ist, daß dieser Fall auch unter §& 71 einzuordnen 
ist (R. O. H. G. XIX S. 393), über den Fall der Veräußerung des Geschäftes 
oben bei &+ 59 Nr. 9. Auch grobe Unfitt ichkeit des Prinzipals kann einen wichtigen 
Grund bilden, zumal wenn der Handlungsgehilfe eine weibliche Person ist oder im 
Hause des Prinzipals wohnt, ferner Verurteilung des Prinzipals zur Zuchthauöftraf 
u. dergl. Ferner Nichtbeschäftigung des Gehilfen, wenn dieser zwar nicht als 
Lehrling, aber doch in der dem Prinzipal bekannten Absicht, um seine Kenntnisse 
und Fähigkeiten auszubilden, eingetreten ist (ogl. Staub-Bondi 5 70 Anm. 30), 
Veranlassung einer strafrechtlichen Untersuchung gegen den Handlungsgehilfen, auch 
wenn der Prinzipal bona fide war (O.L.G. Hamburg in Seuffert LX Nr. 80), 
vertragswihrige erhebliche Beschränkung der Dienstbefugnisse des Angestellten (R.G. 
im Recht 09 Nr. 3474). Dagegen wäre nicht Austrittsgrund für den Gehilfen, daß 
eine Anderung seiner Vermögenslage ihm rätlich erscheinen läßt, selbständig zu 
werden (Krönig in Gew. u. Kaufm. G. XVI S. 252ff.) oder daß ihm der Gehalt 
nicht mehr genügt. duch Rückgang des Geschäfts ist, solange der Gehalt pünktlich 
fortbezahlt wird, für die Regel kein Austrittsgrund (5 üringer--Hachenburg 5 70 
Anm. 14). Wieweit Anderung in Familienverhältnissen des Gehilfen diesen zur 
Kündigung berechtigt, läßt sich nur nach Lage des einzelnen Falles beurteilen. 
6. Ob der Handlungsgehilfe nach Eintritt des Grundes auf sein Kündigungs- 
recht verzichtet hat, ist Tatfrage, insbesondere wird man annehmen dürfen, daß 
der Han lungsgehil e, der sich Tätlichkeiten, Injurien und unsittliche Zumutungen 
vom Prinzipal gefallen läßt, ohne nach angemessener Überlegungsfrist zu kündigen, 
verziehen hat (vgl. G.O. 5 124 Abs. 2). Der generelle Satz, daß der Austritt 
sofort erfolgen muß, läßt sich nicht aufstellen (R.G. in J.W. 1910 S. 117 23). 
7. Das ältere Recht stimmt sachlich überein. 
5 7. 
Als ein wichtiger Grund, der den Prinzipal zur Kündigung ohne 
Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt, ist es, sofern nicht besondere 
Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen, namentlich anzusehen: 
1. wenn der Handlungsgehilfe im Dienst untreu ist oder das Ver- 
trauen mißbraucht oder die ihm nach § 60 obliegende Verpflich- 
tung verletzt;
	        
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