Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

5 72 (Nr. 3—5). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. . 249 
Hochzeit der Eltern, können entschuldigen, ferner wenn er nach der Kündigung zum 
nächsten Termin den Prinzipal um Gewährung einer angemessenen Zeit zum Auf- 
suchen eines anderen Dienstverhältnisses vergeblich angegangen hat und sich nun 
solche selbst nimmt (Düringer- Hachenburg Anm. 5), oder wenn der Dienst 
unterbrochen wird, um mit dem Prinzipal wegen Differenzen in der Auslegung 
des unklaren Dienstvertrages Rücksprache zu nehmen (O.L.G. Hamburg in O.L.G. 
Rspr. VI S. 4) oder wenn der Chef auf die ferneren Dienste des Gehilfen verzichtet 
at. Es wäre Chikane, wenn der verzichtende Chef verlangen wollte, daß er doch 
m Geschäft erscheine. Auch Erfüllung staatlicher oder religiöser (bei jüdischen 
Handlungsgehilsen die Feier hoher Festtage, vgl. Apt I S.fp, dage en im Zweifel 
nicht die des Sabbaths), ethischer Pflichten (aber nicht bloßer Astandspflcchteyg, 
elementare Ereignisse (Uberschwemmungen, Feuersbrünste) können für ihn einen 
Entschulhigungsgrund bilden (ogl. dazu Staub-Bondi §72 Anm. 5). Nicht darf 
der Handlungsgehilfe die Dienste verweigern, weil der Chef mit dem Gehalt 
rückständig ist, er kann dann kündigen (§5 71 Nr. 3). Der Gezilfe ist übrigens ver- 
pflichtet, sein Fortbleiben und den Grund sofort dem Prinzipal anzuzeigen 
(Busch XXI S. 353). — Der Dienstvertrag kann hier im einzelnen modi- 
fizierend eingreifen, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht. — Dem Prinzipal 
wird nur obliegen, das Verlassen des Dienstes für eine erhebliche Zeit nachzuweisen, 
während der Gehilfe darzutun haben wird, daß es nicht unbefugt war. Dies ent- 
Fricht dem Gedanken von § 282 B. G. B. (anders Staub-Bondi Anm. 6). — Eine 
erpflichtung des Gehilfen, sich von dem durch den Priuzipal bezeichneten Arzt 
untersuchen zu lassen, läßt sich — in Ermangelung besonderer Beredungen — nicht 
annehmen, der Gehilfe kann den Beweis seiner Krankheit nach allgemeinen Grund- 
sätzen, insbesondere durch Bescheinigung eines anderen Arztes führen. Die Weigerung 
des Gehilfen, überhaupt eine ärztliche Bescheinigung zu erbringen, wird regelmäßig 
einen ntlafsungs rund darstellen, zumal wenn der Chef die Kosten der Be- 
scheinigung vorzuschießen bereit ist (hierzu Staub-Bondi Anm. 6). 
3. Dauernde Verhinderung der Dienstleistung. Wann eine Krankheit eine 
„anhaltende"“, die Freiheitsstrafe oder Abwesenheit eine „längere“ ist, bemißt 
ich nach Lage des Falles, insbesondere unter Berücksichtigung der vereinbarten 
ertragsdauer. Dabei kommt es darauf an, ob zur Zeit der Kündigung noch an 
ein „Anhalten“ zu denken war, der vorher verflossene Zeitraum kann, falls die 
Genesung zur Zeit der Kündigung nahe ist, nicht in Berechnung gezogen werden 
(O.L.G. Hamburg in O.L.G. Rspr. XII S. 417— Seuffert LXI Nr. 140, O.L.G. 
Karlsruhe in O-L.G. Rspr. III S. 77, vgl. O. L.G. Kassel in O.L. G. Rspr. X 
S. 236 = Seuffert LX Nr. 105). Die Behauptung, daß der Prinzipal bei 
unverschuldeter Krankheit des Gehilfen die sechs Wochen des § 63 abwarten muß, 
bevor er kündigt (Behrend E. 334), ist nicht stets zutreffend. Dem Gehilfen bleibt 
diesenfalls der Anspruch auf Gehalt und Unterhalt bis auf die Dauer von sechs 
Wochen, der Prinzipal kann aber sehr wohl ein Interesse haben, das Verhältnis 
schon vor Ablauf der 2 Wochen zu lösen, wenn feststeht, daß eine anhaltende 
Krankheit vorliegt. Bloße Kränklichkeit oder Nervosität steht der Krankheit nicht 
gleich. — Unter militärischer Dienstleistung ist nicht bloß eine Ubung, sondern 
auch der Fall der Mobilmochung zu verstehen. Steht die längere Dauer der Ein- 
iehung von vornherein fest, so kann der Prinzipal das Verhältnis gleich kündigen. 
st die Dauer ungewi, so muß er die Zeit von acht Wochen abwarten. — Wird 
der Gehilfe nur für einen Teil des Tages an der Verrichtung der Dienste gehindert, 
so hat der Richter zu ermessen, wie weit das Kündigungsrecht Platz greift. 
4. Verletzung der Respektpflicht. Wenngleich 5 72 Nr. 4 und § 71 Nr. 4 in 
dieser Beziehung beide Teile gleich stellen, so ist bei Abmessung des Begriffes der 
erheblichen Ehrverletzung das Respektverhältnis des Gehilfen zum Prinzipal in 
Betracht zu ziehen, sodaß als erhebliche Ehrverletzung hier gelten kann, was im Falle 
von § 71 Nr. 4 eine solche noch nicht ist (ugl. zur Kafuistik O. L. G. Hamburg in 
O. L. G. Rspr. VI S. 189, Dresden ebenda III S. 79, R.G. im Recht 08 Nr. 732, 
L.Z. 1913 S. 461, O. L. G. Frankfurt in O. L. G. Rspr. XXV S. 15). Auch entscheidet 
nicht Erheblichkeit vom Standpunkie des Strafrichters (Bolze XV Nr. 323). Selbst 
tronische und unschickliche Briefe des Gehilfen an den Prinzipal fallen bierher 
(Bolze XIV Nr. 395, R.G. in L. Z. O08 S. 157: antisemitische Außerungen gegenüber 
einem jüdischen Chef). Bloßes aufgeregtes Benehmen des Gehilfen bei Vorhaltungen 
  
Nr. 4. 
Nr. 5.
	        
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