Nr. 1.
254 I. Buch. Handelsstand. 5 74 (Vorbem. Nr. 1—3).
Die §5 74, 75 des H. G.B. sind durch das Reichsgesetz vom 10. Juni 1914
ersetzt. Damit ist zugleich der § 76 Abs. 1 des H.G.B. umgestaltet worden. Endlich
hat das Reichsgesetz hinter den §5 82 den 5 B2. eingeschoben. Es bedarf zum
Verständnis eines geschichtlichen Rückblickes.
Das alte H. G. B. stellte keine besonderen Bestimmungen über die Wett-
bewerbklausel zwischen Prinzipal und Gehilfen auf. Es entschieden, wie noch
heute in anderen Fällen (ogl. z. B. bei § 25 Nr. 7, bei §5 158 Nr. 13, bei §5 92 Nr. 4)
die allgemeinen Grundsätze!). Soweit nicht ein Fall des unsittlichen Vertrages
vorlag, war der Vertragsfreiheit eine Schranke nicht gesetzt. Die Praxis stellte
das dehnbare Prinzip auf „daß die persönliche Freiheit und Erwerbstätigkeit des
einzelnen nicht übermäßig bef ränkt und nur ein begründetes Interesse geschützt
werden darf". (R.G.Z. XXXI S. 99). Als Regel wurde die „Unzulässigkeit ver-
tragsmäßiger Konkurrenzverbote ohne jede Beschränkung und Begrenzung nach
Zeit und Ort“ betrachtet, weil eine Beschränkung der eigenen Freiheit in diesem
Umfange contra bonos mores und folglich nichtig sei (R.G. SJ. XXXI S. 99,
R.O. H. G. XXI S. 262), während bei verständiger Begrenzung nach Zeit und (oder)
Ort die Gültigkeit und Rechtswirksamkeit anerkannt wurde (vgl. R.G. Z. I Nr. 11
und die dort Zitierten).
Das Bedürfnis nach besonderen Schutzvorschriften suchten sodann die
" §§ 74, 75 des H.G.B. für den Handlungsgehilfen, der § 76 Abs. 1 für den Hand-
Nr. 3.
lungslehrling zu befriedigen * Ste gaben eine feste Formel für die Grenze der
Zulässigkeit der Wettbewerbklausel. ie Wettbewerbklausel sollte nach § 74, 5 76
Abs. 1 für den Handlungsgehilfen (bezw. Handlungslehrling) nur insoweit ver-
bindlich sein, als die Beschränkung nach Zeit, Ort und Gegenstand nicht die
Grenzen überschreitet, durch welche eine unbillige Erschwerung des Fortkommens
des Handlungsgehilfen ausgeschlossen wird. Überschritte fie diese Grenzen, so sollte
das Gericht ein Ermäßigungsrecht haben. Als Uberschreitung der zeitlichen Grenze
wurde eine Erstreckung üÜber eine längere Zeit als drei Jahre von der Beendigung
des Dienstverhältnisses ab stets erachtet. Schlechthin nichtig sollte die Vereinbarung
sein, wenn der Gehilfe oder Lehrling zur Zeit des noschlusses Minderlährg war.
Gegen eine willkürliche Aufhebung des Dienstverhältnisses durch den nzipal
suchten 88 75 Abs. 1, 76 Abs. 1 den Gehilfen oder Lehrling durch die zwingende
Vorschrift zu schützen, daß sie dem Prinzipal den Anspruch aus der Vereinbarung
dann versagten, wenn er entweder durch vertragswidriges Verhalten dem Gehilfen
oder Lehrling Grund zum Austritt gab oder wenn er das Dienstverhältnis kündigte,
ohne daß ein erheblicher, von ihm nicht verschuldeter Anlaß vorlag. Doch konnte
wenigstens in letzterem Falle der Prinzipal sich den Anspruch dadurch erhalten, daß
er für die Dauer der Beschränkung dem Gehilfen oder Lehrling den von ihm zu-
letzt bezogenen Gehalt fortzahlte. ·
GegenMißbrauchmitStrafgedingentrafen§§75Abf.2,76Abs.1dadurch
Fürsorge, daß sie dem Prinzipal nur den Anspruch auf die verwirkte Strafe ge—
währten, den Anspruch auf Erfüllung oder auf Ersatz eines weiteren Schadens kraft
zwingender Vorschrift ausschlossen, übrigens § 343 B.G.B. unberührt ließen.
Die Hoffnung, daß sich diese Vorschriften als eine auf die Dauer befriedigende
bösung der Schwierigkeiten erweisen würden, erfüllte sich nicht. Wie die Begründung
zum Entw. I der Novelle S. 727 bemerkt, wurde auch unter der Herrschaft der
55 74, 75 H. G. B. „von der Konkurrenzklausel vielfach ein Gebrauch gemacht, der
erheblich über das Maß der berechtigten Interessen des Prinzipals hinausgeht und
den Gehilfen unbegründete Beschränkungen in ihrer Erwerbstätigkeit auferlegt“. Sie
diene tatsächlich nicht nur als Schutz gegen eine unlautere Verwertung von Kennt-
nissen und Gehiesungen, sondern sie beschränke und unterdrücke den freien Wett-
bewerb des Gehilfen, sie erschwere ihm vielfach die Annahme gerade solcher Stellen,
1) A. Lemberg, Vertragsmäßige Beschränkungen der Gewerbe= und Handels.
hbernt. Kd- 1888; Kohler, Gesammelte Abhandlungen aus dem gem. und franz.
ivilr. Nr. 3.
2) Aus der Literatur zu §§8 74, 75 waren hervorzuheben Steiner, Die Kon-
kurrenzklausel nach dem neuen H.G.B. 1898, Reinshagen, Die Konkurrenzklausel
des Handlungsgehilfen Diss. 1903, Droysen, Die §§P 74, 75 H.G. B. Diss. 1908.