Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

5 74 (Nr. 1—4). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 271 
Entw. I der Nov. § 74ec, Entw. II § 746, Komm.-Beschl. Erster Lesung § 74c, 
Zweiter Lesung § 746. Begründung zu Entw. 1 S. 729, 730; Sten. Ber. des Reichs- 
tages S. 2872, 2873, 2878, 2892, 8416, 8418, 8424, 8445; Komm.-Ber. S. 49ff 
1. Der Grundsatz der bezahlten Karenz wird durch die in § 74c auferlegte 
Varechnungen#licht nicht unerheblich zum Nachteil des Gehilfen modifiziert. 
Der Gehilfe muß sich auf die jeweils fällige monatliche Entschädigung (§ 740) an- 
rechnen lassen, was er während des betreffenden Monates durch anderweite Ver- 
wendung seiner Arbeitskraft erwarb oder zu erwerben böswillig unterließ. Nur 10% 
und, wenn er durch das Wettbewerbverbot gezwungen wurde, seinen Wohnsitz zu 
verlegen, 25% der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen sollen ihm vorbe- 
halten bleiben. Entw. I hatte die letztere Einschränkung nicht gemacht, sondern 
eine Anrechnung bis zum vollen Betrag der bezogenen Leistungen anerkannt. In 
der Literatur und im Reichstag wurde dies als Härte getadelt, welche die Wohltat 
der bezahlten Karenz stark zu vermindern geeignet sei. Anträge, die Anrechnung ganz 
u beseitigen, wurden abgelehnt, Anträge, stets 25% dem Gehilfen frei zu lassen, 
sanden in der ersten Lesung der Kommission Annahme. Entwurf lI wählte den 
Mittelweg, nur 10% frei zu lassen und allein im Falle der Verlegung des Wohn- 
sittes den Betrag auf 25% zu erhöhen, dem schloß sich die Fassung der Beschlüsse 
der Kommission in 2. Lesung an. Im einzelnen gilt 
a) Die Voraussetzung der Anrechnungsverpflichtung ist nach dem 
Vorbild vom B. G. B. 8§8 324, 615 Satz 2 formuliert, weil dem Gehilfen ja die Kon- 
kurrenzklausel die freie Verwendung der Dienste unmöglich gemacht hat. In Ab- 
weichung von § 615 Satz 2 B. G. B. ist das allgemeine Wort „Arbeitskraft“ gewählt, 
weil gerade durch das Wettbewerbverbot der Gehilfe die bisherigen „Dienste“ zu ver- 
wenden nicht in der Lage sein wird. Die Anrechnung wird also auch den Fall um- 
fassen, daß der Gehilfe durch Dienste ganz anderer Art einen Erwerb macht oder 
Gelegenheit zu machen hatte, gleichgültig ob es Dienste eines Handlungsgehilfen 
oder sonstige Dienste, z. B. gewerbliche, landwirtschaftliche, find. Nur müssen es 
Dienste sein, die an Stelle der bisherigen Dienste als Handlungsgehilfe treten. So- 
weit er solche Dienste auch in seiner alten Stellung nebenbei leistete oder zu leisten 
berechtigt war, wird eine Anrechnung ausgeschlossen sein. 
» b) Nur was er wirklich erwarb oder zu erwerben böswillig unter— 
läßt, ist dem Handlungsgehilfen anzurechnen. Bloße schuldhafte Unterlassung 
kommt nicht in Frage, eine Pflicht, sich nach neuem Erwerb um eßen. besteht für 
den Handlungsgehilfen nicht, der Gesichtspunkt der Kulpakompensation aus § 254 
Abs. 2 B. G. B. muß hier außer Betracht bleiben. Benutzt der Handlungsgehilfe z. B. 
die Karenzzeit, um seine Militärjahre abzudienen, eine Handelshochschule zu besuchen 
oder eine Ausbildungsreise zu machen, so wird von „böswilliger“ Unterlassung 
regelmäßig keine Rede sein. Auch wird man dem Gehilfen nicht zumuten können, 
Dienste zu übernehmen, die nicht seiner Vorbildung, Fähigkeit und seinen früheren 
Stellungen entsprechen. Als Beispiele böswilliger Unterlassung wurden absichtliche 
niedrige Bemessung des neuen Gehalts, um die Entschädigung weiter zu beziehen, 
Ausbedingung, daß ein Teil des neuen Gehalts an die Ehefrau des Gehilfen zu 
kablen sei, angeführt (Komm.-Ber. S. 53), der letztere Fall wird aber direkt als 
rwerb zu betrachten sein. 
(c) Anzurechnen ist nur die Summe, um die die vereinbarte Entschädi- 
gung und der nach obigem hinzuzurechnende Betrag 110% der zuletzt 
von dem Handlungsgehilfen bezogenen vertragsmäßigen Veistungen 
übersteigen, wobei die Berechnung immer auf den betreffenden Monat zurück- 
uführen ist. Nur in einem Falle ist die Anrechnung noch weiter eingeengt. War 
er Gehilfe durch das Wettbewerbverbot gezwungen, seinen Wohnsitz zu verlegen, so 
erhöht sich die Grenze bis auf 125% . Es genügt also nicht, daß der Gehilfe ge- 
zwungen war, die Thne zu ändern, nach der Fassun des Gesetzes auch nicht 
aß er den Wohnsitz ta ächlich verlegte. Vielmehr müßte das Wettbewerbverbol 
dud seinen Inhalt — z. B. räumliche Begrenzung, Verbot von Branchen, auf 
die sich der bisherige Wohnsitz hauptsächlich beschränkte — einen Zwang auf die 
Verlegung des Wohnsitzes ausgeübt haben. Die Begründung der Erhöhung des 
Prozentsatzes, daß bei „Ortswechsel“ der Gehilfe zu größeren Aufwendungen genötigt 
werde, trifft andererseits auch dann zu, wenn der Ortswechsel nicht durch das Wett- 
  
  
Nr. 1. 
Nr 2. 
Nr. 3. 
Nr. 4.
	        
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