Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

Nr. 12. 
8 I. Buch. Handelsstand. 5 1 (Nr. 11—12). 
Das System des neuen Rechts ist weit komplizierter. Das neue Recht 
unterscheidet zwei Arten von Handelsgewerben: natürliche (§ 1 Abs. 2) 1) oder 
Handelsgewerbe aus sich und künstliche oder Handelsgewerbe kraft Registrierung 
(65 2, 3). Das natürliche Handelsgewerbe ist das des alten Rechts, für das 
die Natur der Gewerbsgeschäfte als Umsatzgeschäfte entscheidend ist. Natürliches 
Handelsgewerbe ist dasjenige, dessen Gegenstand Grundhandelsgeschäfte bilden. Das 
Gesetz enthält in § 1 Abs. 2 eine erschöpfende Liste solcher Grundhandelsgeschäfte. 
Die aufgeführten Kategorien decken sich im großen und ganzen mit den absoluten 
Handelsgeschäften und relativen Grundhandelsgeschäften des alten Rechts. Sie 
besitzen sämtlich einen ausgeprägt kommerziellen Charakter. Bei dem natürlichen 
Handelsgewerbe bedarf es weiterer Erfordernisse, als des Gewerbebetriebes nicht, 
die Eintragung der Firma in das Handelsregister ist nicht Voraussetzung. Das 
natürliche Handelsgewerbe ist Handelsgewerbe aus sich (per se). Es ist nach Lage 
des Falls Großgewerbe oder Kleingewerbe. — 
Das künstliche Handelsgewerbe der §§ 2, 3 bildet die angefügte Neuerung. 
Ausgehend von dem Grundgedanken, daß die aus dem alten Recht übernommene 
und nur wenig vermehrte Liste von Grundhandelsgeschäften für das Leben nicht 
ausreiche und daß auch bei Erstrebung möglichster Vollständigkeit in der Aufzählung 
die wechselnde wirtschaftliche Lage eine solche Liste schnell veralten lasse, hat der 
Gesetzgeber nach dem Vorbild des Schweizer. Obligationenrechts jedes Großgewerbe, 
das nach seiner Art kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordert, sofern es nicht der 
Land- und Forstwirtschaft angehört, zum Handelsgewerbe unter der Voraussetzung 
erhoben, daß die Firma des Unternehmers in das Handelsregister eingetragen 
worden ist. Hier entscheidet also nicht die Natur des Betriebsgegenstandes, 
der kommerziell oder nicht kommerziell (im Sinne des § 93) sein kann (Geschäfte 
Über Immobilien, Urproduktion), sondern die Anlage des Unternehmens, d. h. ob 
das Unternehmen dergestalt angelegt ist, daß zu seinem Betriebe großkaufmännische 
Einrichtungen erforderlich sind. Ein derartiges Gewerbe wird zum Handelsgewerbe 
mit der Registrierung. Dabei hat letztere kraft positiver Bestimmung eine weit- 
reichende Bedeutung (5 5). Der Eintrag im Handelsregister schneidet zugunsten 
dessen, der sich auf ihn beruft, jeden Einwand, daß das unter der Firma betriebene 
Gewerbe in Wahrheit kein Handelsgewerbe sei, ab. So lange die Eintragung 
besteht, gilt das Gewerbe als Handelsgewerbe auch dann, wenn es z. B. der Land- 
oder Forstwirtschaft angehört. Demnach ist dieses Handelsgewerbe ein künstliches 
kraft Registrierung. Dieses künstliche Handelsgewerbe ist stets Großgewerbe. 
Zu diesen beiden Arten von Handelsgewerben läßt sich als drittes endlich 
das fingierte Handelsgewerbe zählen. Bei gewissen juristischen Personen wird wegen 
ihrer Rechtsform unter allen Umständen Kaufmannsqualität angenommen, somit 
unter Umständen vom Standpunkte des §5 1 ein Handelsgewerbe fingiert. Dahin 
geperen Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit 
eschränkter Haftung, eingetragene Genossenschaften, bis zu einem gewissen Grade 
auch Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. (Vgl. bei 95 6.) 
5. Ein Handelsgewerbe betreiben können physische und juristische Personen. 
a) Bei den juristischen Personen kann es sich um private Korporationen 
(#artiengesellschaften Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Gewerkschaften, in- 
orporierte Kolonialgesellf chaften, sonstige rechtsfähige Vereine, vgl. B.G.B. 88 21, 22,) 
oder Stiftungen oder um öffentliche Korporationen (Staat), politische oder kürchliche 
Gemeinden,) Jumungen andeln. Die alte Streitfrage, ob der Fiskus Kaufmann sein 
könne, ist durch § 36 bejaht (vgl. auch Denkschr. I S. 43, II S. 3160; O. L.G. Hambur 
in O. L. G. Rspr. IX S. 241 — der Lübecker Staat als La erhalter — R. G. Z. LXXI 
S. 266). Hinsichtlich des älteren Rechts R.O. H.G. III Nr. 84, wo reiche Literatur- 
1) Staub nennt sie „reine“ (Staub- Bondi 5 1 Anm. 31) — die anderen 
ahypothetische“, Schirrmeister in Z. XLVIII S. 440 jene „unmittelbare“, diese 
„mittelbare“, Goldmann: „absolute“- relative“", Düringer-Hachenburg: Ge- 
werbe kraft Gegenstandes des Unternehmens“ und „kraft Organisation“. 
95 Z. VII S. 500: Evangelische Brüdergemeinde, Adler-Clemens Nr. 1413: 
Gelfsüb Orden, vgl. Nr. 1588. (Stift). Zentralbl. f. fr. Gerbkt. III S. 716: Land- 
wirtschaftskammer, II S. 454: Gemeindesparkasse, O. L. G. Jena in Entsch. F.G. 1 
S. 52ff. (städtische Gasanstalt). 
 
	        
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