Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

332 II. Buch. Handelsgesellschaften u. stille Gesellschaft. 
Erster Abschnitt. 
Offene Handelsgesellschaft. 
Vorbemerkung. 
Literatur: Behrend 5§P 63 ff., Cosack 190 ff., Gareis, Lehrbuch, 8 Aufl. 
5 25ff., Lehmann, H.R. ös 5öff., Renaud, Recht der Commanditgesellschaft 1881, 
Hergenhahn-Tuchatsch, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft 1894. 
Die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft als die beiden 
Vertreter der Personalhandelsgesellschaften unterscheiden sich von einander lediglich 
durch die Haftung ihrer Mitglieder gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Dem- 
gemäß gehen die Begriffsbestimmungen beider nur in diesem Punkte auseinander 
(58 105 Abs. 1, 161 Abs. 1). Bei beiden handelt es sich um „eine Gesellschaft, 
deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher 
Firma gerichtet ist". Es wird sich zunächst darum handeln, das Verhältnis 
der Personalhandelsgesellschaft zur bürgerlichen Gesellschaft zu unter- 
suchen. — Indem das Gesetzbuch auf die offene Handelsgesellschaft (und damit 
auch die Kommanditgesellschaft) die Vorschriften des B.G.B. über die Gesellschaft 
Anwendung finden läßt, soweit es nicht selbst ein anderes vorschreibt (§ 105 Abs. 
2), gibt es den Fingerzeig für deren rechtliche Struktur. Die Personalhandels- 
gesellschaft ist demnach jedenfalls nicht ein Verein mit Rechtsfähigkeit im Sinne 
von B. G.B. 522, denn da das B. G. B. rechtsfähige Vereine und Gesellschaften 
scharf trennt (B.G.B. §54), so würde der Hinweis auf die bürgerliche Gesellschaft 
ien § 105 Abs. 2 einen logischen Widerspruch enthalten, wenn die sonstigen Vor- 
schriften des H. G. B. zur Annahme der juristischen Persönlichkeit führen müßten. 
Zugegeben, daß die Personalhandelsgesellschaft korporative Elemente in sich trägt, 
so hört sie doch nach der Auffassung des Gesetzes damit nicht auf „Gesellschaft“ zu 
sein. Der früher noch von mancher Seite vertretenen Annahme einer Lurfsschen 
Persönlichkeit der Personalhandelsgesellschaft (Eccius in 3. XXXII S. 1 ff., Affolter 
im Archiv f. b. R. V S. 1 ff., ferner die bei Laband in Z. XXX. S. 473 und bei 
Gierke, Genossenschaftstheorie S. 50 Aufgeführten) ist damit in Ubereinstimmung 
mit der Praxis des R.O. H. G. und R.G. vom Gesetzbuch ein Ende bereitet. Nur 
anz wenige Dissentienten halten trotz § 105 Abs. 2 an der juristischen Persönlichkeit 
est, so Kohler in Z. f. H. R. LXXIV S. 4656 fl (hagegen meine Bemerkungen ebenda 
462 ff.) und im Arch. B. R. XI. S. 229 ff., Gaupp-Stein Z.P.O. 5 50 II (und die 
dort Zitierten) und Hellwig Anspruch S. 266, der zwar erklärt, daß die offene 
Handelsgesellschaft ebensowenig eine juristische Person sei, wie die bürgerliche Ge- 
sellschaft, daß sie aber in einigen sehr wesentlichen Beziehungen wie eine solche 
behandelt werde. Noch weitergehend Hellwig bebröus I S. 308. 
Der Umstand, daß der Zweck dieser Gese schaft auf den Betrieb eines 
Handelsgewerbes gerichtet ist, hebt die Personalhandelsgesellschaft von der 
bürgerlichen Gesellschaft nicht begrifflich ab. Denn wenn die „Erreichung eines 
gemeinsamen Zweckes“ im B. G. B. 5 705 als die Aufgabe einer Gesellschaft hin- 
estellt wird, so läßt diese weite Formulierung Raum auch für die Handelsgesell- 
chaft, wie denn auch die stille Gesellschaft den Betrieb eines Handelsgewerbes be- 
zweckt. Die Ordnung der Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern kann 
weiter ein begrifflich unterscheidendes Moment nicht bilden; denn obwohl bei der 
bürgerlichen Gesellschaft die Haftung der Gesellschafter aus Verträgen mit Dritten 
nur im Zweifel eine Gesamthaftung ist (B.G.B. §s 427, 714), während bei der 
Personalhandelsgesellschaft eine entgegenstehende Vereinbarung Dritten gegenüber 
unwirksam ist (5 128), so ist doch diese Haftung bei den beiden Arten der Personal- 
handelsgesellschaft wiederum verschieden geordnet (bei der offnen Handelsgesellschaft 
berstalich unbeschränkt, bei der Kommanditgesellschaft für die Kommanditisten 
persönlich beschränkt). Die Lage der Gläubiger ist nur bei der offenen Handels- 
gesellschaft eine bessere, bei der Kommanditgesellschaft möglicherweise eine schlechtere, 
als bei der bürgerlichen Gesellschaft. Jedenfalls aber würde die verstärkte Haltung 
eine größere Intensität, nicht eine Abschwächung des Gesellschaftsbegriffs dar- 
stellen. Das Vorhandensein eines eigenen Gesellschaftsvermögens kann 
angesichts des B.G.B. §§ 718 ff. einen Unterschied nicht mehr begründen. So 
 
	        
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