Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

Nr. 1. 
Nr. 2. 
368 II. Buch. Handelsgesellschaften u. stille Gesellschaft. 5 116 (Nr. 1—2). 
Zur Bestellung eines Prokuristen bedarf es der Zustimmung aller 
geschäftsführenden Gesellschafter, es sei denn, daß Gefahr im Verzug ist. 
Der Widerruf der Prokura kann von jedem der zur Erteilung oder zur 
Mitwirkung bei der Erteilung befugten Gesellschafter erfolgen. 
Entw. 1 § 105, II §8 114; Denkschr. I S. 86, II S. 3181; A.D. H.G. B. 
Art. 103, 104. 
1. Umfang der Geschltührungshefaais. Uber den Umfang der Befugnis 
zur Geschäfts Lun entscheidet zunächst der Gesellschaftsvertrag (5 109). Falls. 
dieser nichts bestimmt, sollen alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des 
Handelsgewerbes der Goesellchcst mit sich bringt, darunter sallen, eine Bestimmung, 
die dem bürgerlichen Recht unbekannt ist (Motive zu Entw. I des B.G.B. Bd. II 
S. 604). Die Wendung entspricht der im 8 54 für den Handlungsbevollmächtigten. 
gebrauchten und ist im selben Sinne wie jene auszulegen. Es entscheidet dwech 
der Maßstab des konkreten Handeksgewerbes, sowohl hinsichtlich der Art als hinsichtli 
des Umfanges des Geschäftes (R.O. H. G. XX S. 247). Insbesondere ist dies von 
Wichtigkeit, wenn ein neuer geschäftsführender Gesellschafter eintritt, der auf den 
früher betriebenen Geschäftsgang sich beruft. Fehlt es an solchem, so hat auch hier 
die allgemeine Ublichkeit zu entscheiden. Jedenfalls fallen unter die außergewöhnlichen 
Handlungen insbesondere Geschäfte und Rechtshandlungen die dem Zweck dieser 
Gesellschaft fremd sind, sodann solche, die zwar zum etrlebe gehren die aber 
höchst selten vorkommen, z. B. bauliche Veränderungen des Geschäftsgebäudes, 
durch welche letzteres auf das Doppelte vergrößert wird (O.L.G. Bamberg in 
O.L.G. Rspr. III S. 276) oder die Schaffung stiller Reserven durch zu hohe Ab- 
schreibungen, es sei denn daß der Gesellschaftsvertrag solche vorgesehen hatte 
(Düringer-Hachenburg § 120 Anm. 4), endlich auch solche, die den unmittelbaren 
Gegenstand bilden, die aber ihren Bedingungen nach von den gewöhnlichen ab- 
weichen, sei es mit bezug auf die Größe des Objekts oder die Art der Kreditierung 
oder die Persönlichkeit des Gegenkontrahenten (z. B. Ausländers). Doch folgt daraus, 
daß die Handlung eine ungewöhnliche ist, nicht, daß die Vorbereitung der Handlung 
außerhalb der Geschäfteflihrung liegt, vielmehr hat der Gesellschafter Recht und 
Pflicht auch derartigen Handlungen, wenn sie ihm nützlich oder notwendigeerscheinen, 
seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und den nach Abs. 2 erforderlichen Beschluß zu 
veranlassen (v. Gorski S. 42, 43). Insbesondere gilt dies, wenn es sich um Ab- 
wehr einer die Gesellschaft bedrohenden Gefahr handelt. — Soweit die Handlung. 
in den gewöhnlichen Betrieb des konkreten Handelsgewerbes fällt, kann, falls 
nicht Kollektivgeschäftsführung angeordnet ist, jeder geschäftsführende Gesellschafter 
allein handeln, muß aber bei Widerspruch eines anderen geschäftsführenden Gesell- 
schafters die Handlung unterlassen (oben § 115). 
2. Aubereewöhult ee Handlungen. Zu außergewöhnlichen Handlungen ist ein 
Beschluß sämtlicher Gesellschafter erforderlich, also auch der nichtgeschäftsführenden. 
Als außergewöhnliche Handlung erscheint nie die Erteilung der Prokura Kanber 
bei Nr. 3). Uber die Art der Deschlußfafsung §5 119. Semtliche Gesellschafter 
müsssen also vor Vornahme der Handlung benachrichtigt und zur Mitwirkung an 
der Beschlußfassung veranlaßt werden, auch wenn Gefahr im Verzuge ist (Renaud 
C.G. S. 249). Doch kann der Geselschaftevereag ein anderes bestimmen, z. B. 
für gewisse Geschäfte die Hinzuziehung der nichtgeschäftsführenden Gesellschafter 
ausschließen. Selbstverständlich ist, daß im Falle des Abschlusses eines Rechtsge- 
schäftes mit einem rles oder der Erhebung eines Prozesses gegen einen 
  
Gesellschafter der betreffende Gesellschafter von der Votierung (nicht Beratung) aus- 
geschlossen ist (ovgl. B. G. B. § 34). Nimmt ein Gesellschafter die außerordentliche 
Handlung einseitig vor, so treten die in § 115 Nr. 1 erörterten Wirkungen ein. 
Verweigert ein Gesellschafter die Zustimmung grundlos, so kann er sich schadens- 
ersatzp chtig machen, es wird auch jeder der anderen Sese chafter auf Zustimmungs- 
erteilung Klage erheben können. Auch eine Klage au uflölung der Gesellschaft 
r-* tn’!.+T)!ele des Gesellschafters kann gegeben sein (Düringer-Hachen- 
urg . 98).
	        
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