8 117 (Nr. 1—5). 1. Abschnitt. Offene Handelsgesellschaft. 2. Titel. 371
trag — soweit nicht ein Verstoß contra bonos mores darin liegt — verzichtet
werden (55 117, 109), umgekehrt kann der Gesellschaftsvertrag die Entziehung durch
Beschluß (auch Mehrheitsbeschluß) der Gesellschafter, sei es wegen justa causa,
sei es nach freiem Belieben, zulassen, so daß das rrteil des Richters höchstens dekla-
rative Kraft hätte (vol. Düringer-Hachenburg 5 119 Anm. 3). In dubio wird
man anzunehmen haben, daß die Bestimmung des Gesellschaftsvertrages sich nur auf
Entziehung wegen justa causa beschränkt. (Z. T, anders Stanb- Pinner Anm. 5).
Ganz den Rechtsweg verschließen kann der Gesellschaftsvertrag nicht. Die Ent-
ziehung kann auf immer oder auf Zeit (vorläufig) erfolgen. Vgl. R.G. im Recht
09 Nr. 741.
2. Antrag der übrigen Gesellschafter. Die Entziehung setzt einen Willensakt
der übrigen Gesellschafter voraus, d. h. der sämtlichen Gesellschafter, auch der nicht-
geschäfts hrenden. Dieser Willensakt erfolgt durch Beschluß nach § 119. Natürlich
ann der Gesellschaftsvertrag einzelne von ihnen von der Mitwirkung ausschließen
oder den Willensakt eines bestimmten Gesellschafters verlangen. Ist nur ein Mit-
gesellschafter da, so genügt dessen Willensentschluß (vgl. Kommissionsber. S. 3895).
3. Wichtiger Grund. Die Entziehung darf nur wegen wichtigen Grundes
eschehen. Ob ein solcher vorliegt, hat der Richter zu entscheiden. Das Gesetz
Uhrt mit dem B.G.B. 5 712 Abs. 1 zwei Fälle an: grobe Pflichtverletzung (z. B.
Unredlichkeit R.O. H. G. XIII S. 179, 184, Mißbrauch des Gesellschaftsvermögens
für Privatzwecke, schwere Nachlässigkeit) und Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen
Geschäftsführung. In diesen Fällen ist der Richter ge zwungen, das Vorhanden-
sein einer justa causa anzunehmen (Mot. zum Entw. 1 des B.G.B. II S. 606,
anders Ritter Anm. 1, der den Gegenbeweis, daß kein wichtiger Grund vorliegt, auch
in diesen Fällen zuläßt) Wie weit sonst eine justa causa vorhanden ist, ist nach Lage
des Falles zu beurteilen, möglicherweise kann der Vertrag etwas als justa causa
hinstellen, was es an sich nicht ist und umgekehrt (Staub.- Pinner Anm. 5,
Brand Anm. 3). Fehlt es aber an vertragsmäßiger Bestimmung, so wird der
bei § 70 Nr. 2 hervorgehobene Gesichtspunkt auch hier maßgebend sein; nicht not-
wendig ist auch hier, daß ein Verschulden des betr. Gesellschafters vorliegt (R.G. Z.
XXIV S. 137) oder daß ein Schade entstanden ist oder daß ein einzelnes Moment
durchschlagend ist. Eine justa causa kann sich aus einer Reihe an sich gering-
fügiger Momente zusammensetzen, die in ihrer Gesamtheit die Entziehung recht-
fertigen. Auch wird, je nachdem dauernde Maßnahme oder eine bloß vorläufige
Rgung erstrebt wird, der Maßstab verschieden sein (vgl. R.G. im Recht 1909
r. 741).
4. Richterliche Entscheidung. Die Entziehung geschieht durch den Prozeß-
richter. Das Ache Entschei richterliche Urteil hat konstitutive Kraft (anders
B. G. B. § 712 Abs. 1). Demgemäß ist eine Klage auf Entziehung anzustrengen.
Diese Klage erheben die Üübrigen Gesellschafter, nicht die Gesellschaft noch ein ein-
zelner Gesellschafter. Die Klage richtet sich gegen den Gesellschafter, dem die Befugnis
entzogen werden soll, also weder gegen die Gesellschaft noch gegen einen wider-
sprechenden Gesellschafter, der etwa in der Minderheit geblieben ist (falls Majoritäts-
beschluß zulässig war; anders Düringer-Hachenburg Anm. 6). Würde letzterenfalls
der in der Minderheit Gebliebene sich weigern, den Antrag mitzustellen, so würde
die Klageerhebung der Moajorität genügen. Doch kann der widerstrebende Gesell-
schafter auf Anerkennung der Entziehung besonders verklagt werden. — Der Kläger
könnte auch eine einstweilige Verfügung erwirken, durch die dem Gesellschafter vor-
läufig die Geschäftsführung genommen wird (R.G. Z. XXII S. 170, O. L. G. Hamburg
in H.G. Z. XII, 1891 S. 185) oder durch die ihm gewisse Handlungen verboten
werden (O. L.G. Hamburg in O.L.G. Rspr. XXIII S. 167). Das Verbot wird mit
der Zustellung an den Gegner ohne weiteres wirksam. — Löst sich die Gesellschaft
vor dem Urteil auf, so ist die Klage abzuweisen, da nunmehr die Geschäftsführung
ohnehin ihr Ende erreicht (O. L. G. Celle im Recht 1905, S. 22 Nr. 117).
5. Wirkung der Entziehung. Die Wirkung der Entziehung ist eine verschiedene,
je nachdem es sich um eine übertragene oder gesetzliche Geschäftsführung handelt.
Ersterenfalls würde, falls nur ein Gesellschafter mit der Geschäftsführung betraut
war, niemand das Recht der Geschäftsführung haben, denn da in der Ubertragung
an einen Geschäftsführer der Ausschluß der Übrigen von der Geschäftsführung lag,
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