Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

Nr. 1. 
Nr. 2. 
Nr. 3. 
Nr. 4. 
496 II. Buch. Handelsgesellschaften u. stille Gesellschaft. § 164 (Nr. 1—4). 
Der § 164 tritt an Stelle des § 114. Dieser Umstand beeinflußt auch die sonst 
gegebene Anwendbarkeit der §§ 115—117 in mehrfachen Beziehungen: 
Bei der Kommanditgesellschaft sind nicht alle Gesellschafter kraft Gesetzes zur 
Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet, vielmehr sind geborene Geschäftsführer 
nur die Komplementare. Der Kommanditist ist von der Geschäftsführung kraft 
Gesetzes ausgeschlossen, er hat deshalb kein Recht und keine Pflicht, sich in die Ge- 
schäftoführung einzumischen. Hat er als Dritter eine Forderung gegen die Komman- 
ditgesellschaft, so liegt ihm nicht ob, Handlungen vorzunehmen, durch die er die Lage 
der Gesellschaft bessert, z. B. zu mahnen, um die Zinszeit zu kürzen (R.G. im Recht 
1910 Nr. 295). Hier tritt als natürlicher Zustand jener Dualismus ein, der bei der 
offenen Handelsgesellschaft nach § 114 Abs. 2 accidentell ist. Demgemäß würden die 
Komplementare mangels anderer Vereinbarung den Vorschriften über die geschäfts- 
führenden, die Kommanditisten den Vorschriften über die von der Geschäfts- 
führung ausgeschlossenen Gesellschafter unterstehen. § 164 schränkt aber ihre 
Stellung noch mehr ein. 
Daraus ergibt sich: 
1. Ist nur ein Komplementar da, so hat er kraft Gesetzes die alleinige 
Geschäftsführung, er darf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handels- 
gewerbes der Gesellschaft mit sich bringt (darüber bei § 116 Nr. 1), allein vornehmen 
und allein Prokura erteilen sowie widerrufen, die Kommanditisten haben insoweit 
kein Widerspruchsrecht. Dagegen können sie gegen Handlungen, die über den 
gewöhnlichen Betrieb dieses Handelsgewerbes hinausgehen, Einspruch erheben, und 
zwar (bei Mehrheit) im Wege der Beschlußfassung nach näherer Maßgabe des 
§ 119. Dem Komplementar kann auf ihren Antrag nach § 117 die Geschäfts- 
führung entzogen werden. Vermögen sich dann beide Teile nicht über die 
Bestellung eines Dritten als Geschäftsführer zu einigen, so bleibt nichts übrig, als 
die Gesellschaft aufzulösen. — 
2. Sind mehrere Komplementare da, so hat — mangels anderer Vereinbarung — 
jeder von ihnen nach § 115 volle Geschäftsführung. Jeder kann also alle Handlungen 
vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit 
sich bringt, muß aber bei Widerspruch eines anderen Komplementars (nicht eines 
Kommanditisten) die Handlung unterlassen. Prokuristen dürfen die mehreren 
Komplementare nur zusammen bestellen, nur bei Gefahr im Verzuge darf ein 
einzelner die Bestellung vornehmen, widerrufen darf die Prokura jeder einzelne 
Komplementar (5 116 Abs. 3). Zur Vornahme von Handlungen, die über den 
gewöhnlichen Betrieb des Gesellschaftsgewerbes * Jä- ist ein Beschluß sämtlicher 
omplementare nach Maßgabe des § 119 erforderlich, und die Kommanditisten 
können dagegen Einspruch erheben. Die Befugnis zur Geschäftsführung kann einem 
der Komplementare nur auf Antrag aller übrigen Gesellschafter — Komplementare 
und Kommanditisten — entzogen werden (5 117). 
3. Kollektivgeschäftsführung u. a. Der Gesellschaftsvertrag — sei es der 
ursprüngliche, sei es ein Zusatzvertrag — kann für die mehreren Komplementare 
Kollektivgeschäftsführung anordnen. Dann greift hinsichtlich ihrer solns 
Abs. 2 Platz. Die Stellung der Kommanditisten wird dadurch nicht beeinflußt. 
Der Gesellschaftsvertrag kann ferner nach Maßgabe von §* 114 Abs. 2 einen Teil der 
Komplementare von der Geschäftsführung ausschließen. Dann sinken die Aus- 
geschlossenen in die Stellung der Kommanditisten — soweit es sich um die aus 
§ 114—117 (nicht § 118) resultierenden Rechte handelt — herab. Der Gesellschafts- 
vertrag kann endlich alle Komplementare von der Geschäftsführung ausschließen. 
Dann gäbe es geschäftsführende Gesellschafter kraft Gesetzes überhaupt nicht mehr 
und die Komplementare hätten die aus 88 114—117 entspringenden Vorzugsrechte, 
gegenüber den Kommanditisten nicht mehr. Ein Prokurist dürfte diesenfalls nur durch 
Beschluß aller Gesellschafter bestellt werden. 
4. Umgekehrt kann der Gesellschaftsvertrag einem Kommanditisten Geschäfts- 
führungsbefugnisse Augestehen (Bolze XI Nr. 467, R.G. im Bankarchiv VIII S. 43 
— L.Z. O08 S. 535 = Recht 08 Nr. 2237). Denn 5 164 enthält kein zwingendes, 
sondern nur dispositives Recht. Dies kann in verschiedener Art geschehen. Der 
Kommanditist kann mit einem Komplementar oder mit den Komplementaren 
Kollektivgeschäftsführung erhalten, dann gilt für seine Handlungen § 115 Abfl. 2.
	        
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