Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Erster Band. (1)

5*4 (Nr. 9—129. 1. Abschnitt. Kaufleute. 55 
c) Die Vorschriften über die Prokura (55 48—53) finden auf Minder- Nr. 9. 
kaufleute keine Anwendung. Minderkaufleute können keine Prokura erteilen. Wohl 
aber können sie Handlungsbevollmächtigte bestellen, sowohl Spezial-als General= 
handlungsbevollmächtigte. Bedienen sie sich des Ausdruckes „Prokura“, so wird 
im Zweifel anzunehmen sein, daß eine Heneralhandlungsvollmacht erteilen 
wollten und die Vollmacht nach B.G. B. 5§ 140 in letzterer Gestalt aufrechtzuerhalten 
sein (anders Makower S. 41, Ritter Anm. be, Brand Anm. 4c, die dann eine 
bürgerliche Vollmacht im Umfang der Prokura annehmen). Tritt der entgegensetzte 
Wille, daß sie nur eine Prokura und keine andersgeartete Vollmacht erteilen wollten, 
erkennbar hervor, so wäre die Erteilung nichtig (B.G. B. 9 140, 134). Nimmt der 
angebliche „Prokurist“ Rechtshandlungen vor, die jenseits einer Handlungsvollmacht 
liegen, so steht dem Dritten, der mit ihm kontrahierte, ein Anspruch gegen den 
Minderkaufmann nur nach allgemeinen Grundsätzen zu (B.G.B. §§ 177f., 123). 
d) Eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft kann durch Nr. 10. 
eine Vereinigung zum Betriebe des Gewerbes eines Minderkaufmanns nicht be- 
gründet werden und diese Handelsgesellschaft löst sich auf, wenn der Betrieb dauernd 
auf den eines Minderkaufmanns eingeengt wird (K.G. in O. L.G. Rspr. XXII S. 36); 
denn diesen beiden Gesellschaftstypen is der Betrieb unter gemeinschaftlicher Firma 
wesentlich (§& 105, 161). Wohl aber kann ein Minderkaufmann stille Gesellschafter 
an seinem Handelsgewerbe beteiligen, wie als Stiller sich an einem fremden Handels- 
gewerbe beteiligen (§ 335). Selbstverständlich kann er Aktionär oder Mitglied einer 
Gesellschaft mit beschränkter Haftung werden, aber auch persönlich haftender Gesell- 
schafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, denn, wie diese Vereinigungen nicht 
ein Handelsgewerbe zu betreiben brauchen, so steht die Mitgliedschaft bei ihnen 
sogar Nichtkaufleuten zu. — Im übrigen fallen die Vereinigungen von Minder- 
kaufleuten unter das bürgerliche Recht der Gesellschaft (B.G.B. 705—740, O. L.G. 
Colmar im Recht 05 S. 224 = O.L G. Rspr. X S. 277), können aber nach innen durch 
den Vertrag der offenen Handelsgesellschaft oder Kommnandttgsellschaft wesentli 
gleich gestaltet werden; eine Glei sellung nach außen ist, da zwingende Vorschriften 
in Frage kommen, nicht erzielbar. Vgl. O. L. G. Hamburg in O-#. fpr. XXIV S. 130. 
Demgemäß wäre eine Klage gegen eine Gesellschaft von Minderkaufleuten geten 
alle Gesellschafter zu erheben, nicht bloß einem der Gesellschafter unter der fälschlich 
geführten Geschäftsfirma zuzustellen. Das gegen die Firma, nicht gegen die Lesen. 
schester erlassene Urteil wäre bedeutungslos. Sollte es in Wahrheit die Gesell- 
schafter im Auge haben, so wäre Z.P.O. 5 319 anwendbar. Die Vollstreckung aus 
einem gegen die Firma erlassenen Urteil in das Vermögen der einzelnen Gesell- 
schafter wäre nicht zulässig. 
e) An der Sonderstellung der Minderkaufleute kann das Landeörecht für die Nr. 11. 
dem H. G. B. unterstellten Materien nichts ändern, hierüber it das Reichsrecht aus- 
ließlich kompetent. Wohl aber kann das Landesrecht für ihm vorbehaltene 
aterien, z. B. für die Wahl und die Beiträge zu den Handels= und Gewerbe- 
kammern, die Minderkaufleute eigentümlicher Behandlung unterstellen. Ebenso kann 
das Reichsrecht Minderkaufleute auch sonst nach anderen Grundsätzen behandeln, als 
Vollkaufleute, wie dies auch mehrfach geschehen ist. So kann nach G.V. G. 5 113 zum 
andelsrichter nur ernannt werden, wer als Kaufmann oder als Vorstand einer 
ktiengesellschaft in das Handelsregister eingetragen oder eingetragen gewesen ist. 
Nach dem R. G. betr. die Abzahlungsgeschäfte vom 16. Mai 1894 5§ 8 finden dessen 
Bestimmungen keine Anwendung, wenn der Empfänger der Ware als Kaufmann 
in das Handelsregister eingetragen ist. Das Gesetz betr. die Pflichten der Kaufleute 
bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere vom 5. Juli 1896 findet auf Minderkauf. 
leute keine Anwendung (5 13). Vgl. auch Art. 4 der Novelle zum Wuchergesetz vom 
19. Juni 1893 (Abs. 3 Nr. 3), § 53 des Börsengesetzes usw. 
Wohl aber läßt das G.V.G. 5 101 Nr. 1 lediglich die Kaufmannsqualität 
für die Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen entscheiden. 
7. Alteres Recht. Wie jede juristische Qualifikation untersteht die Eigenschaft Nr. 12. 
als Vollkaufmann dem jeweiligen Recht. Folglich unterfallen Wirte und Trödler 
mit größerem Gewerbebetrieb, die bisher Minderkaufleute waren, den Bestimmungen 
über Firmen, Buchführung und Prokura, und umgerehrt können Personen, die kraft 
Landesrechts für Vollkaufleute erklärt waren, zu Minderkaufleuten herabsinken. So 
  
 
	        
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