Einleitung.
Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch und die Allgemeine
Deutsche Wechselordnung brachten dem deutschen Volke für einen wichtigen
Teil des Privatrechts die langersehnte Rechtseinheit. Wenngleich sie bei
dem staatsrechtlichen Charakter des Deutschen Bundes zunächst ein über-
einstimmendes Landesrecht fast aller zum Bunde gehörigen Staaten wurden-
und erst nach Gründung des Norddeutschen Bundes durch das Bundes-
gesetz vom 5. Juni 1869, das nach Gründung des Reiches auf die süd-
deutschen Staaten ausgedehnt wurde, die Erhebung zum Bundes= bezw.
Reichsgesetz erfuhren, wenngleich ferner die einzelnen zum alten Bunde
gehörigen Staaten bei Einführung zumal des Handelsgesetzbuches durch
mannigfache landesgesetzliche Vorschriften den Inhalt des Handelsgesetzbuchs
ergänzten oder gar abänderten und das Bundesgesetz vom 5. Juni 1869,
die ergänzenden Vorschriften gänzlich, von den abändernden wenigstens
gewisse seerechtliche Vorschriften in Kraft beließ — so war doch im Großen
eine materielle Rechtseinheit für das Gebiet des Handels, ja darüber hinaus
geschaffen. Im Gegensatz zum code de commerce, der als Nebengesetz.
des code civil sich damit begnügte, die handelsrechtlichen Besonderheiten
kurz hervorzuheben und im übrigen auf den code civil zu verweisen,
enthielt das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch nicht nur eine detaillierte
Ordnung handelsrechtlicher Institute, sondern es griff in das Recht der
Schuldverhältnisse, in das Sachenrecht und in den allgemeinen Teil des
bürgerlichen Rechts vielfach hinüber, indem es Sätze von allgemeiner Trag-
weite aufstellte oder Institute regelte, deren Ausgestaltung im Grunde
Sache des bürgerlichen Rechts war. Vornehmlich die Ordnung der Lehre
vom Vertragsschluß und von der Erfüllung, der Lehre von der direlten
Stellvertretung, der Lehre von der Eigentumsübertragung und Pfand-
bestellung, ferner die allgemeinen Bestimmungen über die Auslegung von
Handelsgeschäften, über Schadensersatz, über die Form der Handelsgeschäfte
sowie die zahlreichen Vorschriften, welche altüberkommene Schranken des
bürgerlichen Rechts beseitigten — besaßen, wenngleich sie sich formell auf
Handelsgeschäfte beschränkten, eine Bedeutung für das gesamte bürgerliche
Recht, da sie nicht bloß für den Verkehr unter Kaufleuten, sondern auch
zum größeren Teile im Verhältnisse vom Kaufmann zum Nichtkaufmann,
ja sogar, sofern es sich um objektive Handelsgeschäfte handelte, unter
Nichtkaufleuten zur Anwendung kamen, da sie ferner von nicht wenigen
Landesrechten auf das bürgerliche Recht direkt übertragen wurden. Die
weite Grenzlinie, die das Gesetzbuch sich zog, war durch die Zerrissenheit.