276 II. Buch. Handelsgesellschaften u. stille Gesellschaften. § 309 (Nr. 1—2).
6 309.
Enthält der Gesellschaftsvertrag nicht die nach § 182 Abs. 2 wesent-
lichen Bestimmungen oder ist eine dieser Bestimmungen nichtig, so kann
jeder Gesellschafter und jedes Mitglied des Vorstandes und des Aufsichts-
rats im Wege der Klage beantragen, daß die Gesellschaft für nichtig erklärt
werde. Die Vorschriften der §§ 272, 273 finden entsprechende Anwendung.
Entw. I §5 280, II § 300; Denkschr. I S. 168f., II S. 3222; Komm. Ber.
S. 3916; A.D.H.G.B. —. Z
Literatur: R. Goldschmit, Die Nichtigkeit einer Aktiengesellschaft in Hold-
heim IX S. 158, 178; Lent, Nichtigkeit einer A.G. Diss. 1901, Simonis,
Nichtigkeitserklärung einer A.G. Diss. 1901; Lehmann, A.G. I s 37ff.; vgl. auch.
oben bei §& 182.
Nichtigerklärung der Aktiengesellschaft. 1. Die Eintragung der Aktiengesellschaft
in das Handelsregister ihres Sitzes ist Voraussetzung für ihre Entstehung als rechts-
fähiger Verein. Allein diese Eintragung hat nicht schöpferische Kraft in dem Sinne,
daß sie die Aktiengesellschaft schlechthin in das Leben riefe. Die Aktiengesellschaft
kann trotz der Eintragung nichtig sein. So war es auch nach früherem Rechte.
Dieses entbehrte der Vorschriften darüber, wann eine solche Nichtigkeit anzunehmen.
sei. Als Grundsätze waren aufzustellen, daß die auf dem Willen der Beteiligten.
beruhende Eintragung Mängel des Gründungsverfahrens, insbesondere auch bei
der Feststellung des Statuts heilte (vgl. aus der Rechtsprechung bes. R.O. H. G VII
S. 242 f., XVI S. 358; R.G. S. V S. 78, XXVI S. 72ff., R.G. in Z. XIVII S. 105),
daß dagegen das Fehlen oder die unzulässige Festsetzung eines der im Art. 209 Abf. 2.
des Ges. vom 18. Juli 1884 für den Gesellschaftsvertrag erforderten Punkte Nichtigkeit
der eingetragenen Gesellschaft nach sich zog. Doch blieben die Grundsätze selbst,
ihre Anwendung im einzelnen und die aus ihnen zu ziehenden Folgerungen durch-
aus unsicher (über die verschiedenen Auffassungen R. Goldschmit in Holdheim
1IX S. 159fsf.). Nunmehr ist die Nichtigerklärung der Aktiengesellschaft gesetzlich ge-
ordnet. Von selbst versteht sich, daß die Vorschriften der §5 309—311 nur anwendbar
sind, wenn die Gesellschaft bereits in das Register ihres Sitzes eingetragen ist.
Denn vor dieser Eintragung besteht die Aktiengesellschaft als solche nicht, kann also
ihre Nichtigerklärung nicht in Frage kommen. Eine Anwendung der §§5 309ff. auf
inländische Zweigniederlassungen ausländischer nichtiger Aktiengesellschaften erscheint,
da es sich hier um bestimmt begrenzte Vorschriften handelt, unstatthaft (Makower
Anm. I; a. M, Staub- Pinner Anm. 17).
2. Ausschließlichkeit der gesetzlich geregelten Nichtigerklärung. A. Entstehungs-
geschichte. Das Gesetz behandelt die Nichtigerklärung wegen Fehlens oder Nichtigkeit
einer nach § 182 Abs. 2 im Gesellschaftsvertrage zu treffenden Bestimmungen.
Schon in der Denkschrift ist ersichtlich der Standpunkt innegehalten, daß die Aktien-
gesellschaft ausschließlich unter den Voraussetzungen des §& 309 für nichtig erklärt
werden könne. Das praktische Bedürfnis und das Interesse aller Beteiligten sollte
dahin den Ausschlag geben, daß die Nichtigkeit lediglich wegen Mängel in betreff
der wesentlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags geltend zu machen se
(Denkschr. S. 3222). Ganz unzweideutig trat diese Auffassung bei der Beratung in
der Reichstagskommission hervor. Hier wurde die Streichung der jetzigen 88 309
bis 311 namentlich unter der Begründung beantragt, daß das Publikum sich auf
den Rechtsbestand der eingetragenen Gesellschaft verlassen müsse und daß in anderen
Staaten mit der Nichtigkeitsklage schlechte Erfahrungen gemacht seien. Die verbün-
deten Regierungen ließen darauf u. a. erklären: „Wenn die ausländische Gesetz-
gebung sich nicht bewährt habe, so könne das höchstens darin liegen, daß dort in
viel zu weitgehendem Maße die Nichtigkeitsklage eingeführt sei, beispielsweise wegen
Ordnungswidrigkeiten beim Gründungshergang. Hier, in diesem Gesetze, seien die
Voraussetzungen der Nichtigkeitsklage genau normiert und auf die Fälle, daß wesent-
liche Bestimmungen des Statuts fehlen oder eine dieser Bestimmungen nichtig ist,
beschränkt“ 2c. Die Streichung der §§ 309—311 wurde abgelehnt. Damit fiel zu-
gleich der Antrag auf Einfügung einer Bestimmung, daß nach erfolgter Eintragung,
unbeschadet der Vorschriften der §§ 271—273, eine Nichtigkeit der Aktiengesellschaft.