5 335 (Nr. 1—4). 5. Abschnitt. Stille Gesellschaft. 6. Titel. 327
Entw. 1 § 306, II § 326; Denkschr. I S. 181—184, II S. 3228, 3229; A. D.
H. G.B. Art. 250—252. 256. 260. -
I. Begriffsbestimmung. Die Begriffsbestimmung ist, da das Gesetz (abweichend
vom alten H. G. B.) sich ihrer enthält, aus dem Inhalt der über die stille Gesellschaft
aufgestellten Normen, vornehmlich den §5 335, 336, zu entnehmen. Danach ist die
stille Gesellschaft eine Gesellschaft zwischen einem Kaufmann und einem
Anderen (dem stillen Gesellschafter) des Inhalts, daß der stille Gesell-
schafter sich an dem Handelsgewerbe des Kaufmanns mit einer dem
Kaufmann zufließenden Vermögenseinlag= gegen Anteil am Gewinn
und regelmäßig auch Verlust beteiligt. Die stille Gesellschaft erfordert somit:
1. ein Gesellschaftsverhältnis. Nicht liegt sie vor, wo der Kaufmann kraft
Gesetzes, z. B. als Ehemann das Vermögen der Ehefrau (B.G.B. 5 1363, vergl.
Busch XXIV S. 339) oder als Inhaber der elterlichen Gewalt das Vermögen des
Kindes (B.G.B. § 1649) oder wo er bloß tatsächlich ohne den auf Vergesellschaftung
gerichteten Willen des anderen Teiles sich ein fremdes Vermögen dienstbar macht.
bensowenig bei Dienstvertrag mit Gewinnbeteiligung (erbäittnis des Chefs zum
commis -interessé), auch nicht, wenn der Geschäftsbedienstete eine Kaution hinterlegt
(Busch XV S. 119). Denn hier ist der Handlungsgehilfe nicht Gesellschafter,
sondern zur Dienstleistung Verpflichteter, seine Dienste sind nicht „Beitrag“, sondern
Spallung der Dienstobliegenheit, der Gewinnanteil nicht Sozietätsrecht, sondern
Lohn (5F 59 Nr. 11). Auch nicht, wo der Gewinnanteil Entgelt für früher geleistete
Dienste oder für ein bestimmtes Verhalten ist, ohne daß der damit Bedachte über-
haupt eine Einlage zu machen hat (R.G. in L.Z. 1908 S. 158, O.L.G. Dresden
bei Kaufmann VII, 159). Ebensowenig bei Werkvertrag mit Gewinnbeteiligung
des Unternehmers (OLG. Braunschweig in Seuffert LXI, S. 187) oder Mäkler-
vertrag (R.G. im Recht 1908, S. 86 Beil. 2) oder Kaufvertrag mit Nebenabrede,
daß der Verkäufer für eine Anzahl Jahre am Gewinne beteiligt sein soll (O.L.G.
Dresden in D.J.tg. 1908, 370) oder emtio spei (R G.. LXXVII Nr. 59).
2. zwischen einem Kaufmann und einem Anderen. Der eine von beiden Ge-
sellschaftern muß Kaufmann sein und zwar derjenige, der nach außen haftet (Kom-
plementar, Gerant), gleichgültig ob Voll- oder Minderkaufmann. (Danach kann
auch ein Apotheker einen stillen Sozius haben (vgl. R.G. bei Seuffert LXV Nr. 125).
Er muß Kaufmann sein zur Zeit der Entstehung der Gesellschaft. Schließt den Vertrag
also ein Gerant, der Sollkaufmann (5§ 2) ist, so entsteht die stille Gesellschaft erst
mit der Eintragung der Firma des Betreffenden. Der stille Gesellschafter kann
Kaufmann sein, braucht es aber nicht zu sein, auch die Chefrau, ein Sohn, ein Hand-
lungsgehilfe des Geranten kann dessen stiller Gesellschafter sein (Busch XV S. 118),
doch wird beim Handlungsgehilfen im Zweifel Dienstvertrag mit Gewinnanteil unter-
zulegen sein (dazu § 59 Nr. 11).— Im übrigen kann sowohl der Komplementar wie der
Stille sein eine physische oder jurisissche Person, eine offene H. G. (R.G.Z. XXX S.35)
oder Kommanditgesellschaft (R.G. Z. XXV Nr. 10). Eine bürgerliche Gesellschaft
kann nicht Komplementar sein. Denn indem das Gesetz vom „Inhaber des Handels-
gewerbes“ spricht, legt es den der bürgerlichen Gesellschaft fehlenden Gesichtspunkt
der äußeren Einheit zugrunde. Auch kann bei dem internen Charakter der stillen
Gesellschaft eine dem bürgerlichen Recht unterstehende Gesellschaft nicht mit bezug
auf einen socius dem Handelsrecht unterstellt werden. Wer also bei einer Gesellschaft
von Minderkaufleuten sich mit einer Einlage beteiligt, wird nicht stiller Gesellschafter
im Sinne des H.G.B. Ebensowenig kann eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts
stiller Gesellschafter werden, weil es ihr an der äußeren Einheit fehlt. Wohl aber
können die mehreren Gesellschafter sich dem Geranten zur Leistung der Einlage als
Gesamtschuldner verpflichten und ausbedingen, daß sie die Rechte auf Abhebung
des Gewinnes, Mitteilung der Bilanz, Kündigung nur ulammen geltend machen.
Über die mehreren Erben eines stillen Gesellschafters s. B. G.B. § 2039. —
Besitzt ein Kaufmann mehrere stille Gesellschafter. so steht er an
sich zu jedem Stillen in dem Verhältnis einer besonderen stillen Gesellschaft, auch
dann, wenn die stillen Gesellschafter sich zu einem Verbande vereinigt haben (Anschütz-
Völderndorff II S. 549, 346; vgl. Lübbert in Z. LVIII S. 505). — Ist ein
Kaufmann Stiller und besitzt seinerseits einen stillen Gesellschafter, so hat letzterer
zu dem Geranten des Kaufmanns gar keine unmittelbare rechtliche Beziehung (vgl.
solche Fälle bei Bolze VIII Nr. 540, XXIII Nr. 568).
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