Full text: Das Handelsgesetzbuch für das Deutsche Reich. Zweiter Band. (2)

76 II. Buch. Handelsgesellschaften u. stille Gesellschaft. § 215 (Nr. 3—6). 
muß freilich eintreten, wenn der Verlust im verflossenen Jahr entstanden, aber erst 
im laufenden erkennbar geworden ist (dazu Begründung 1884 S. 171, Staub bei 
Holdheim I S. 72 ff., Simon, Einkommensteuer S. 126 ff., aber auch Hergen- 
hahn bei Holdheim 1 S. 85 ff., Aronius in Z. XIL S. 123 ff., vgl. Nr. 5 zu 
§5 213). Auch wenn das Geschäftsjahr zulässigerweise kürzer ist als ein Kalender- 
jahr, kann der für dasselbe ermittelte Reingewinn verteilt werden (bes. O.L.G. 
Hamburg in Z. XXXVII S. 551 f.; vgl. Nr. 2 zu § 260). Vorauszahlung des 
erhofften Mindestbetrags der Dividende während des betreffenden Geschäftsjahrs 
(Abschlagsdividendeh) ist schlechthin unzulässig (Prot. S. 312 ff., 1043 f., 1053 ff., 1448), 
zulässig auch nicht die Prolongation der Ausgahlungsfrist für festgestellte Dididenden 
eines Jahres in das nächste Jahr und dann erfolgende Abschlagszahlung. Solche 
Zahlung wäre unstatthaft, da möglicherweise Verluste eingetreten sind, der Aktionär 
aber in jedem Geschäftsjahr einen Anspruch auf den Reingewinn hat. 
4. Bauzinsen. (Literatur: Keyßner A.G. S. 262ff., in Busch VIII S. 406 ff., 
XXXII'SG. 99ff.; Michaelis, Volkswirtsch. Schriften 1 S. 102ff.; K. Lehmann 
A.G. II 427). Um den Aktionären bis zum vollen Betrieb des Unternehmens einen 
Ertrag der Einlagen zu verschaffen, sind ausnahmsweise wie nach früherem Rechte 
Bauzinsen gestattet. Ihre Zulassung wurde ehedem vielfach bekämpft, weil sie nur 
die Freiheit einer verschleierten Ausgabe der Aktie unter dem Nennbetrag bedeute, aber 
auch (namentlich von Keyßner, Michaelis a. a. O.) unter dem Gesichtspunkt 
verteidigt, daß die Errichtung des betriebsfähigen Ganzen aus seinen Teilen Werte 
erzeuge. 
a) Nur der Gesellschaftsvertrag kann Bauzinsen unter Bestimmung des 
" Zinssatzes und eines Endzeitpunkts der Verzinsung zulassen, und auch der Gesell- 
schaftsvertrag nur für den Zeitraum, den die Vorbereitung des Unternehmens bis 
zum Anfang des vollen Betriebs erfordert. Darüber, ob der Zeitraum kalender- 
mäßig zu begrenzen sei oder nicht, bestand früher Streit, den das R.O. H. G.-Plenum 
in bejahendem Sinn entschied (XXII S. 12f f. gegen XIII S. 128 ff.). Das Gesetz 
fordert im Einklang hiermit Bezeichnung des Zeitpunkts für das Ende der Verzinsung. 
Die in einer staatlichen Genehmigungsurkunde angegebene Bauzeit kann die Be- 
stimmung des Gesellschaftsvertrags natürlich nicht ersetzen (R.O. H.G. XXII S. 22fs.). 
Die Bestimmung kann nur in dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag getroffen 
werden; die Einführung von Bauzinsen oder die Verlängerung des Zeitraums durch 
Ergänzung oder Abänderung des Gesellschaftsvertrags ist unzulässig, da sonst die 
jeweiligen Aktionäre den Beginn des vollen Betriebs verzögern und sich ohne 
Rücksicht auf die Erhaltung des Grundkapitals zum Schaden der Gläubiger beliebige 
Zeit hindurch Zinsen von jeder Höhe zubilligen könnten (gemeine Ansicht, insbes. 
Bayer. O.L.G. in Z. XI S. 475; a. M. Esser Anm. 6, Behrend S. 895). Da 
Bauzinsen nur zugelassen sind, um die Entstehung von Aktiengesellschaften zu 
ermöglichen (Motive z. Preuß. Entw. e. H.G.B. S. 90, Begründung 1884 S. 225), 
und demgemäß nur bis zu dem Zeitpunkt, wo die Gesellschaft ein betriebsfähiges 
Unternehmen hat, kann auch nicht bei einer Erhöhung des Grundkapitals des 
bereits betriebsfähig hergestellten Unternehmens die Zubilligung von Bauzinsen 
nachträglich erfolgen (so Kammerger. O. L. G. Rspr. 1 S. 359— Johow XX S. 42, 
Riesser, Neuerungen S. 98, Frankenburger im Bank.Archiv IX. S. 30; a. A. 
R. G. 3. LXXVII Nr. 66). In dem Gesellschaftsvertrag kann der Zeitraum der Ver- 
kinsung beliebig bestimmt werden. Mit dem Augenblick aber, wo der volle Betrieb 
egonnen hat, muß die Verzinsung aufhören. Die Verzinsung ist also zeitlich doppelt 
begrenzt: durch den vertragsmäßigen Zeitpunkt und durch den Anfang des Betriebes. 
Bauzinsen können für alle Aktien oder nur für einen Teil der Aktien und letzteren- 
falls für bereits bestehende und für — während der Vorbereitungszeit — etwa durch 
Grundkapitalserhöhung neu zu schaffende im ursprünglichen Gesellschaftsvertrag be- 
willigt werden. 
b) Bauzinsen stehen der festgestellten Dividende gleich; die Gesell- 
" schaft schuldet sie den Aktionären wie Dritten (vgl. R.O. H. G. XXII S. 20 f., Nr. 5 
zu § 213). Dies gilt, gleichviel ob der Fälligkeitstermin schon eingetreten ist oder 
nicht. Die Zusage von Bauzinsen ist der Art nach von dem allgemeinen Dividenden- 
versprechen verschieden, das jeder festen Grundlage entbehrt (Nr. 3, 4 zu § 213). In 
den Bauzinsen ist den Aktionären, wie bei der festgestellten Dividende ein bestimmter 
Betrag zugesichert, der allerdings ratenweise zur Auszahlung kommt. Ließe der
	        
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