Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

Il. Grundbegriffe des allgemeinen Staatsrechtes. 
88. 
l) Das Volk. (Einl. S. 117—118.) 
Das, was uns beim ersten Blicke entgegentiitt, ist eine Menge 
von Menschen, welche im Staate vereinigt sind. Die Zahl der 
Staatsgenossen ın den einzelnen Staaten ist sehr verschieden. Es 
giebt Staaten von vielen Millionen, andere von wenigen "Tausenden 
(Russland, San Marino oder Liechtenstein). Ein bestimmtes Mi- 
nimum ist nicht festzustellen. Nur muss der Kreis einer blossen 
Familie überschritten sein. Die Urfamilie ist nicht der Urstaat. 
sondern nur der Keım des werdenden Staates. Aus der Familie 
eines Erzvaters oder Patriarchen kann sich ein Staat entwickeln, 
aber erst wenn dıe Familie sich m eine Reihe von Familien ver- 
zweigt hat, wenn die Verwandtschaft zur Völkerschaft geworden 
ist, wird eine wirkliche Staatenbildung möglich. Das Volk ist die 
persönliche Grundlage des Staates. Ohne Volk kein Staat. 
89. 
2) Das Land. (Einl. S. 118) 
Die Völkerschaft bedarf eines bestimmten Theiles der Erdober- 
fläche zur Entfaltung ihres eigenthümlichen Daseins. Schon das 
Wort »Staat« weist auf einen bleibenden Zustand, eine gewisse Sta- 
bilität hin, welche ohne die Grundlage fester Wohnsitze undenkbar 
ist. So unterscheidet sich der Staat von der Ilorde wandernder 
Nomaden. Die blosse persönliche Grundlage der Volksgenossen- 
schaft reicht nicht aus, ein dauerndes Band zu bilden; es muss dazu 
die dingliche kommen, welche nur in einem Landgebiete gegeben 
ist. Ohne ein solches zerstiebt das Volk bald wieder in seine Atome. 
Die wandernden germanischen Stämme zur Zeit der Völkerwande- 
rung befanden sich, bis zu ıhrer Ansiedelung, nur in enem Ueber” 
gangszustande zum Staate. Nur die, welche bleibende Wohnsitze 
gewannen, erhielten sich und wurden wirkliche Staaten. 
$ 10. 
3) Vereinigung des Volkes zu einer Gesammtpersönlichkeit. (Einl. S. 119.) 
Volk und Land sind unentbehrliche Grundlagen des Staates 
und deshalb in einem Begriffe des Staates, als Merkmale, nicht zu 
entbehren ; sie sind aber rein thatsächlicher Natur und an sich ohne 
juristischen Gehalt. Diesen empfangen sie erst, wenn das Volk sich 
zu einem Gemeinwesen zusammenschliesst.. Dem Geiste des
	        
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