Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

32 I. Grundbegrifie des allgemeinen Staatsrechtes. 
tionen ganz dieselbe in allen Staaten, ohne Rücksicht aufihre 
Verfassungsform. Die bis jetzt vorgetragenen Grundsätze über 
(ie Staatsgewalt finden auf jeden civilisirten Staat gleichmässig 
Anwendung. Nicht in dem Wesen und der rechtlichen Natur der 
überall sich gleichbleibenden Staatsgewalt, sondern ım der Art und 
Weise, wie die Staatsgewalt in concreto personificirt oder organisirt 
ist, legt die staatsrechtlich wichtigste Verschiedenheit 
der Staaten. Für verschiedene wissenschaftliche Betrachtungs- 
weisen mögen verschiedene Eintheilungen der Staaten am Platze 
sein. Für das Staatsrecht, in welchem die rechtliche Organisa- 
tion des Volkes zum Staate dargestellt wird, kann der Eintheilungs- 
grund nur in der Konstituirung der Obrigkeit, d. h. in dem Sub- 
jekte der Staatsgewalt, gefunden werden. 
Subjekt der Staatsgewalt ist entweder ein einzelner Mensch zu 
selbständigem Rechte — Monarchie — oder eine Personen- 
mehrheit als Kollektivbegriff, ein bestimmter Stand — Arısto- 
kratie — oder die Gesammtheit des Volkes — Demokratie. Arı- 
stokratie und Demokratie stimmen darin überein, dass in beiden 
Staatsformen nicht ein einzelner Mensch, sondern eine Personen- 
mehrheit herrscht; man bezeichnet daher beide mit dem gemein- 
samen Namen Republik und es lässt sich daher nichts dagegen 
einwenden, wenn manche Staatsgelehrte, wie Waitz und Zacha- 
riä, eine Zweitheilung der Staatsformen annehmen, so dass nur 
Monarchie und Republik einander gegenüberstehen, wenn man nur 
den grundverschiedenen Charakter der aristokratischen und demo- 
kratischen Republik dabei gehörig hervorhebt. Dagegen darf die 
Theokratie, wie dies von Bluntschli geschieht, nicht als 
eigene Staatsform aufgezählt werden. Wıe bedeutsam auch das 
theokratische Prinzip in der Staatengeschichte eingewirkt hat, so 
betrifft es doch nur den Glauben an den Ursprung der Staatsge- 
walt, aber nicht das wirkliche Regiment, welches entweder ein 
König monarchisch oder eine Priesterschaft aristokratisch im Namen 
dieses Ursprungs führt. Die 'Theokratie würde nur dann den übri- 
gen Staatsformen koordinirt werden können, wenn wirklich und 
nicht blos in der Vorstellung ein andrer übermenschlicher Regent 
gegeben wäre. So bleiben denn, nach der uralten aristotelischen 
Eintheillung, nur drei Hauptformen: die Monarchie, die Aristo- 
kratie, die Demokratie, von denen jedoch die beiden letzteren 
wieder als Republik der Monarchie gegenübergestellt werden 
Können.
	        
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