Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

3. Von der Verbindung mehrerer Staaten zu einem Staatensystem. 39 
siven Veto). In sämmtlichen deutschen Einzelstaaten ist in dieser 
Beziehung das monarchische Princip gewahrt, indem die Vereini- 
gung der gesammten Staatsgewalt in der Person des Monarchen ein 
Fundamentalsatz des deutsch-koustitutionellen Staatsrechtes ist; 
doch lässt sich nicht verkennen, dass ausserhalb Deutsch- 
lands der Konstitutionalismus andere Bahnen beschritten hat, 
welche das monarchische Princip nicht so in seiner Reinheit be- 
wahren. Selbst das englische Staatsrecht legt dem Parlamente, 
d. h. dem König und beiden Häusern, dem rex in parliamento, die 
oberste Staatsgewalt bei. 
Viertes Kapitel. 
Von der Verbindung mehrerer Staaten zu einem Staaten- 
system !. 
$ 23. 
Standpunkt der Betrachtung. 
Die regelmässige Form, in welcher ein Volk seine staatlichen 
Aufgaben zu lösen sucht, ist der Einheitsstaat, civitas simplex. 
! Die älteste bedeutende Untersuchung über Staatenverbindungen ver- 
danken wir Samuel v. Pufendorf: dissert. de systematibus eivitatum in 
seinen dissertationes select. p.265—330 (Londini Scanorum 1675). Bahnbrechende 
Untersuchungen über die Natur des deutschen Reiches, als eines zusammenge- 
setzten Staates, stellte bereits an Ludolf Hugo de statu regionum Germaniae 
liber unus 1661. Herausgegeben von J. N. Hert, Giessen 1769. Allgemeinere 
Betrachtungen über die Natur der Staatensysteme wurden erst in neuerer Zeit 
veranlasst durch die Gründung des nordamerikanischen Bundesstaates, dessen 
Grundgedanken in den klassischen Aufsätzen des Federalisten von Hamil- 
ton, Madison und Jay erörtert wurden. Auf diese Ausführungen gründete dann 
A. de Tocqueville seine Ansichten über"den Bundesstaat (De la democratie en 
Amerique, besonders Tom. I. Chap. VIII »de la constitution federale). Auf 
Toequeville baute dann G. Waitz seine einflussreiche Theorie vom Bundesstaate 
(in seiner Politik Aufl. III, S. 152—218, früher gedruckt iin der Allgem. Monats- 
schrift für Wissenschaft und Literatur 1853. Diese Theorie hat die deutsche 
Wissenschaft längere Zeit ganz beherrscht und auch ich habe mich ihr früher 
angeschlossen 'Einl. Kap. VII. S. 197 ff.). Die neueren wissenschaftlichen Unter- 
suchungen über den Bundesstaat von H. von Treitschke, A. Hänel, Laband, 
Brie u. s. w., sowie die grossen geschichtlichen Freignisse und Vorgänge des 
Jahres 1867 haben mich überzeugt, dass die Waitzische Theorie dringend 
einer Korrektur bedarf. Unter ihrem Einflusse hat man die Sphäre des Ge- 
sammtstaates und der Einzelstaaten auseinandergerissen und sich die Sache so
	        
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