1. Die Zeiten des ältern deutschen Reiches. 49
der Erschütterung der Völkerwanderung schmolzen die zahlreichen
kleinern Völkerschaften zu grössern Stämmen zusammen. Den Fran-
ken war die Aufgabe zugefallen, diese Stämme zu einer Reichsein-
heit zu verbinden. Chlodwig begann, Karl der Grosse vollendete
(diese Arbeit. Das grosse Frankenreich hatte aber keinen national-
deutschen Charakter, es umfasste sowohl celtisch-romanische, wie
deutsche Elemente. Durch den Vertrag von Verdun und die darauf
folgende definitive Lossagung nach der Absetzung Karl’s des Dicken
ım Jahre 888 trennte sich endlich das vorherrschend germanische
Ostfrankenreich von dem mehr romanischen Westen. Das Ostfran-
kenreich ist die Grundlage des deutschen Reiches geworden.
Karl der Grosse hatte Krone und Namen des römischen Reiches
erneuert; aber die römische Kaiserkrone war nicht grundsätzlich
mit der deutschen Königskrone verbunden. Eine solche Realunion
erfolgte seit Otto dem Grossen. Seitdem durfte nur ein König
der Deutschen zum römischen Kaiser gekrönt werden. Das deutsche
Reich hiess von nun »das heilige römische Reich deutscher Nation«!.
Mit der römischen Kaiserkrone erhielt der deutsche König
nicht sowohl einen Zuwachs an wirklichen Herrschaftsrechten oder
an Land und Leuten, sondern er überkam damit nur gewisse kosmo-
politische Ansprüche, dominium mundi, als vermeintlicher Nach-
folger der alten römischen Cäsaren, und einzelne Ehrenrechte, wozu
vor allem die Advokatie über den römischen Stuhl und die christ-
liche Kirche, sowie der Vorrang vor allen Monarchen der Christen-
heit gerechnet werden muss. Die deutsche Königskrone war eine
staatlich-nationale mit wirklichen Regierungsrechten,, (die römische
sehr brauchbar). Epoche machend: Karl Friedrich Fichhorn, Deutsche
Staats- und Rechtsgeschichte, 4 Bde., Gött. 1508—1823. 5. Aufl. 1543. 1844.
H. Zöpfl, Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte 1836. 2. Aufl. Stuttg.
1844. 4. Aufl. 1871. W. Dönniges, Das deutsche Staatsrecht und die deutsche
Staatsverfassung, Band I. "bis ins XL. Jahrh.). Berlin 1842. Georg Waitz,
Deutsche Verfassungsgeschichte, 6 Bde. Kiel 1544. ff. "umfasst die Zeit bis zur
Mitte des 12. Jahrh.); 2, Aufl. Bd. I. 1565. B.11. 1870. J. F.v. Schulte,
Lehrb. der deutschen Reichs- und Rechtsgesch. 4. Aufl. 1876.
!G. Waitz, B.III., bes. der Abschnitt: »Königthum und Kaiserthum in
Verbindung«. B. IV. 8. 593 ff. W. Giesebrecht, Geschichte der deutschen
Kaiserzeit I. Bd. II. Buch: »Gründung des deutschen Reiches. Ueber das
Wesen der römischen Kaiserwürde vergl.: J. St. Pütter, Specimen juris publicj
et gentium medii aevi. Gött. 1784. C, W.v. Lancizolle, Die Bedeutung der
römisch-deutschen Kaiserwürde nach den Rechtsanschauungen des Mittelalters.
Berlin 1856. K.L. Aegidi im Staatswörterb. B. VIII. S. 702 ff, Art. Römisches
Reich deutscher Nation. J. v. Held, Das Kaiserthum als Rechtsbegriff.
Würzb. 1879.
H. Schulze, Deutsches Staatsrecht.