690 Il. Von den Funktionen des Staatsorganisinus.
Kirchenregierung über die Vertheilung der Umlagen auf die Pro-
vinzen, bedürfen, bevor sie dem’ Könige zur Sanktion vorgelegt
werden, der Zustimmung des Staatsministeriums«. $16:
»Die Gesammtsumme der zu beschliessenden Umlagen darf für
provinzielle und landeskirchliche Zwecke vier Procent der Gesammt-
summe der Klassen- und Einkommensteuer der zur evangelischen
Landeskirche gehörigen Bevölkerung nicht übersteigen. Kirchen-
gesetze, welche diesen Procentsatz übersteigen, bedürfen der Be-
stätigung durch ein Staatsgesetz.« Auch wird die Genehmigung
des Landtages erfordert zur Aufhebung und Abänderung gewisser
Bestimmungen der Kirchenverfassung, z. B. zur Veränderung der
kollegialen Verfassung der Konsistorien und des Oberkirchenrathes.
Die Mitwirkung des Kultusministers ist erforderlich zur Besetzung
aller kirchenregimentlichen Stellen. Anders gestaltet sich die Aus-
übung der kirchenhoheitlichen Befugnisse bei solchen Akten, welche
nicht vom obersten Kirchenregiment, sondern von untergeordneten
Kirchenbehörden und Vertretungen ausgehen. Hier findet eine
Aufsicht der Staatsbehörden, ähnlich wie der katholischen Kirche
gegenüber, statt. So steht den Staatsbehörden die Mitwirkung bei
der Veränderung bestehender und Bildung neuer Pfarrbezirke zu,
ebenso eine weitgehende Aufsicht über die Verwaltung des Kirchen-
vermögens. Ausserdem bleibt den Staatsbehörden 1) die Anord-
nung und Vollstreckung der zur Aufrechterhaltung der äusseren
kirchlichen Ordnung erforderlichen polizeilichen Vorschriften, 2) die
Regelung der streitigen Kirchen-, Pfarr- und Küstereibausachen,
sowie die Vollstreckung der einstweiligen Entscheidungen in diesen
Sachen, 3) die Beitreibung kirchlicher Abgaben u. s. w. (Alles
Nähere in meinem preussischen Staatsr. II. $ 256.)
Noch ist die Selbständigkeit und Selbstverwaltung der evan-
gelischen Kirche in den meisten Staaten eine sehr beschränkte;
aber der Fortschritt zum Bessern ist nicht zu verkennen. Es wird
von der Bewährung der inneren Lebenskraft dieser Kirche ab-
hängen, ob sie befähigt sein wird, auf den gegebenen Fundamenten
weiter zu bauen und zu einem wahren kirchlichen Selbstregimente
zu gelangen, sodass, auch ihr gegenüber, dem Staate nur die unent-
behrlichen Rechte der Kirchenhoheit verbleiben.