Full text: Lehrpläne und Lehraufgaben für die höheren Schulen in Preußen von 1901.

16 Kathollsche Religlonslehre. 
stufe hat der Lehrer die Maßhaltung, welche dort nur im allgemeinen 
angegeben ist, im einzelnen selbst durchzuführen. 
Nur von der festen Grundlage sicherer religiöser Kenntnisse, 
gläubiger überzeugung und kirchlicher Gesinnung aus kann der 
Religionsunterricht bestrebt sein und hoffen, auch die andere Seite, 
nicht den letzten und unwichtigsten Teil seiner Aufgabe, nämlich 
die religiöse Erziehung und sittliche Veredelung der Schüler, mit 
vollem und dauerhaftem Erfolge zu verwirklichen; das eigene Beispiel 
des Lehrers ist dabei von besonderer Wichtigkeit. 
Die Glaubens= und Sittenlehre kommen, entsprechend der Drei- 
teilung der neunstusigen Unterrichtsanstalten und durchgehends im 
Anschlusse an dieselbe, dreimal zur Behandlung, jedesmal in er- 
weiterter Form und in größerer Vertiefung; bei der Besprechung sind 
auch die auf anderen als dem religiösen Lehrgebiete gewonnenen 
Kenntnisse der Schüler tunlichst zu verwerten. Im Irteresse der 
Schüler, welche nach Beendigung des Untersekunda-Kursus die An- 
stalten verlassen, ist dieser Klasse als vornehmstes Lehrpensum eine 
populär gehaltene Begründung des katholischen Glaubens zugewiesen; 
auf die Lehre von der Kirche ist bei diesem Unterrichtsstoffe vor- 
nehmlich Gewicht zu legen. Denn auf dem Gehorsam gegen die 
Kirche als die von Gott beglaubigte Hüterin und Erklärerin der 
göttlichen Satzungen beruht nach katholischer Lehre das wahrhaft sittliche 
Leben, und darin liegt hinwiederum ein besonderer Schutz gegen die ver- 
kehrten, die sittliche Ordnung gefährdenden Zeitrichtungen der Gegenwart. 
Wie der Unterricht in der Glaubens= und Sittenlehre immer 
auf die biblischen Geschichten, so muß umgekehrt der biblische Geschichts- 
umterricht stets auf die Glaubenswahrheiten und sittlichen Vorschriften 
zurückgehen. In dieser Wechselbeziehung kann auf der Oberstufe, 
sofern insbesondere auch die Zeit dies gestattet, die Besprechung der 
Glaubens= und Sittenlehre bei einzelnen Gelegenheiten füglich an die 
Lesung oder Mitteilung ausgewählter kleiner Abschnitte der Heiligen 
Schrift, beispielsweise an die Bergpredigt, an einzelne Gleichnisreden 
und Begebenheiten aus dem Leben Jesu angeknüpft werden. 
An die erste Einführung in die Kirchengeschichte auf der Mittel- 
stufe schließen sich auf der Oberstufe ausführlichere Mitteilungen aus 
diesem Unterrichtsgebiete an, hier wie dort vorwiegend in Form von 
Charakterbildern. Das Hauptziel dieses Unterrichts liegt nicht darin, 
eine möglichst große Summe von Einzelheiten zu bieten und dem 
Gedächtnisse der Schüler einzuprägen, sondern die Kirche hochachten 
und lieben zu lehren, in ihrer Geschichte insbesondere die Entfaltung 
eines Planes der göttlichen Vorsehung erkennen zu lassen. Die er- 
ziehliche Anwendung und Bedeutsamkeit dieses Unterrichtsgegenstandes 
ergibt sich daraus von selbst.
	        
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