94 ].Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
ohne solchen Auftrag vollzogenen Erwerbsakt durch nachträgliche
Genehmigung zu einem Akt der Staatsgewalt erheben. Erwerb der
Gebietshoheit durch Privatpersonen ist logisch unmöglich; denn
die Gebietshoheit ist Staatsgewalt, und diese kann nur dem Staate
zukommen. Die gegenteilige, in der neuesten Literatur vielfach
vertretene Ansicht? beruht auf einem Mißverständnisse.. Es kann
allerdings nicht in Abrede gestellt werden, daß insbesondere an
den afrikanischen Küsten und auf den Inseln des Stillen Ozeans
vielfach von Privaten, sei es einzelnen, sei es Gesellschaften,
Souveränitätsrechte erworben und später an ihre Heimatsstaaten
abgetreten worden sind, ohne daß diese sich veranlaßt fühlten,
nunmehr einen ÖOkkupationsakt vorzunehmen; daß die Erwerbung
durch den Heimatsstaat in der Zession durch die „Privaten“ ihren
einzigen Rechtstitel findet; daß diese also Souveränitätsrechte er-
worben haben mußten, um sie übertragen 'zu können. Dabei
wird aber übersehen, daß, wenn eine Privatgesellschaft oder ein
einzelner die Staatsgewalt über ein bestimmtes Gebiet für sich
erwirbt, dann eben ein Fall der Staatengründung vorliegt (oben
$65 II). Das selbständige Dasein dieses neugegründeten Staates
dauert so lange, bis die Übernahme durch den Heimatsstaat oder
einen dritten Staat erfolgt. Es bedarf also zur Erklärung dieser
Vorgänge nicht der Annahme, als könnte der Begriff der Staats-
gewalt unabhängig von dem des Staates gedacht werden.
4. Erwerb wie Abtretung von Staatsgebiet bedürfen der Aner-
kennung dureh die übrigen Staaten, soweit durch jene Änderung in
die bestehenden Rechte dieser Staaten eingegriffen wird.
In diesem Falle ist es Sache der in ihren Rechten bedrohten
oder verletzten Mächte, gegen die Gebietsveränderung Einspruch
zu erheben und so ihre Rechte zu wahren (unten $ 20 II 3). Das
Stillschweigen trotz erfolgter Verständigung ist als Zustimmung,
mithin als Verzicht aufzufassen. Dagegen kann die Zustimmung nicht
schon deshalb versagt werden, weil die Gebietsveränderung den
3) Vergl. Ullmann 193.