Full text: Das Völkerrecht.

102 1].Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung. 
eine Schutzherrschaft übernimmt, wird den betreffenden Akt mit 
einer an die übrigen Signatärmächte der gegenwärtigen Akte ge- 
richteten Anzeige begleiten, um dieselben in den Stand zu setzen, 
gegebenenfalls ihre Reklamationen geltend zu machen.“ Dabei ist 
‘das Wort „Schutzherrschaft“ (protectorat im französischen Text) 
im weitesten Sinne zu nehmen und auch auf das eigentliche völker- 
rechtliche Protektorat zu erstrecken. Der Schlußsatz weist auf den 
Grundgedanken der Bestimmung hin: diejenigen Mächte, welche 
durch die neue Erwerbung sich in ihrem Rechte bedroht fühlen, 
sollen die Möglichkeit haben, durch Einspruch gegen die Erwerbung 
ihre Rechte zu wahren; das Stillschweigen würde auch hier (unten 
8 20 II) als Verzicht aufgefaßt werden müssen. 
Auch das „Prinzip der Publizität“ wurde zunächst nur für 
Neuerwerbungen an den Küsten von Afrika unter den Signatar- 
mächten der Kongoakte vereinbart; es ist aber seither auch auf 
andere Erwerbungen angewendet worden (so hat Deutschland 1866 
die Okkupation der Marschalls-Inseln, Frankreich die von Mada- 
gaskar sowohl 1886 als auch 1896 den übrigen Mächten mit- 
geteilt) und ist dazu bestimmt, allgemeine völkerrechtliche Rechts- 
regel zu werden.? 
IV. Eine verschleierte Form des derivativen Erwerbs ist die Über- 
nahme eines Gebietes „„zur Besetzung und Verwaltung‘ unter nomi- 
neller Fortdauer der bisherigen Staatsgewalt (auch, aber sehr unglück- 
lich, als „Condominium inegal‘‘ bezeichnet). Entscheidend für die 
Souveränität der erwerbenden Staatsgewalt ist die uneingeschränkte 
und im eigenen Namen erfolgende Austibung der Hoheitsreehte. '° 
Hierher gehört: 
1. Die Besetzung von Bosnien und der Herzegowina durch 
Österreich-Ungarn im Jahre 1878.!! Sie beruht auf dem Vertrage 
  
9) Vergl. Rivier, Principes I 192. Pic, R.G. III 635. 
10) Görard, Les cessions däguisöes de territoires en droit interna- 
tional public. 1904 (behauptet unrichtig auch die verschleierte Abtretung von 
Kreta an Griechenland). 
11) Vergl. Spalaikowitch, La Bosnie et l’Herzegowine. Etude 
d’histoire diplomatique et de droit international. 1897. Pöritch, R. J.
	        
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