108 1.Buch. Die Rechtssubjekte und ihre allgem. Rechtsstellung.
bezüglichen Gesetze erfüllt haben, widrigenfalls sie als Bürger
ihres Geburtslands angesehen werden können. Nach dem (1897
außer Kraft gesetzten) Freundschafts-, Handels- und Schiffahrts-
vertrag des Deutschen Reiches mit Costa Rica vom 18. Mai 1875
(R.G.Bl. 1877 S. 13) hatten die Söhne das Recht, zur Zeit, wo
sie nach ihren vaterländischen Gesetzen die Großjährigkeit erlangen,
sich für die Nationalität ihres Geburtsstaates zu entscheiden (so-
genannten ÖOptionsrecht; nicht mit der oben $ 10 II 2 besprochenen
Optionsklausel zu verwechseln).
Auch der Abschluß von Kollektivverträgen ist wiederholt,
aber bisher ohne Erfolg, vorgeschlagen worden.*
IM. Der Staat schützt seine Angehörigen, mögen sie sich im In-
land oder im Ausland aufhalten, gegen das im internationalen Verkehr
von einem fremden Staat unmittelbar oder mittelbar ihnen zugefügte
oder drohende Unrecht. °
Diese Schutzgewalt über seine Staatsangehörigen dem Aus-
lande gegenüber ist unmittelbarer Ausfluß des Begriffes der Staats-
gewalt und daher die unabweisbare Folgerung aus dem Grund-
gedanken des Völkerrechts. Jeder Eingriff in diese Schutzgewalt
erscheint mithin, soweit nicht besondere Vereinbarungen eingreifen,
als eine Verletzung der Souveränität der Staatsgewalt, als völker-
rechtliches Delikte. Die von Frankreich über die Katholiken im
Orient ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit in Anspruch
genommene Schutzgewalt würde daher, selbst wenn sie auf ältere
Rechtstitel sich berufen könnte, mit den heutigen Rechtsanschau-
ungen in Widerspruch stehen. Das Deutsche Reich hat demgemäß
die französischen Ansprüche jederzeit, so 1875, 1898 und 1901,
mit Bestimmtheit zurückgewiesen. Aber auch Frankreichs Berufung
auf ältere Abmachungen mit der Türkei entbehrt der rechtlichen
Grundlage. Der Berliner Vertrag vom 13. Juli 1878 hat in Art. 62
4) Vergl. Verhandlungen des Instituts für Völkerrecht 1896, und
dazu Catellani, R.J. XXIX 248.
5) Tschernoff, Protection des nationaux residant ä l’ötranger avec
Introduction sur la souverainetö des Etats en droit international. 1899.