Full text: Das Völkerrecht.

8 11. Das Staatsvolk. 109 
„die bestehenden Rechte Frankreichs ausdrücklich gewahrt“. Aber 
aus diesen „bestehenden Rechten“ ergibt sich nirgend die fran- 
zösische Schutzgewalt über die einem fremden Staate angehörigen 
katholischen Untertanen. ® 
Vergl. Art. 3 Abs. 6 der deutschen Reichsverfassung: „Dem 
Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmässig Anspruch 
auf den Schutz des Reichs“. Diese, durch die Vertreter des 
Staates ausgeübte Schutzgewalt (jus protectionis) kann sogar zu 
einer Einmischung in die innern Angelegenheiten eines andern 
Staates führen (oben $ 7 II S. 67). 
Doch tritt die Berechtigung des diplomatischen Schutzes erst 
dann ein, wenn die Anrufung der Gerichte oder anderer Behörden 
des Aufenthaltstaates vergeblich gewesen ist. Also nur bei Rechts- 
verweigerung, Rechtsbeugung oder Verschleppung der Gerechtigkeit 
einerseits, bei unberechtigtem Vorgehen der Verwaltungsbehörden 
andrerseits. Das wird in den Verträgen vielfach ausdrücklich aus- 
gesprochen. Vergl. Art. 20 Abs. 2 des deutschen Freundschafts- 
usw. Vertrages mit Kolumbien vom 23. Juli 1892 (R.G.Bl. 1894 
S. 471): „Auch sind sie (die vertragschliessenden Theile), geleitet 
von dem Wunsche, jeden Anlass zur Trübung ihrer freundschaft- 
lichen Beziehungen zu vermeiden, dahin übereingekommen, dass 
ihre diplomatischen Vertreter aus Anlass der Rechtsansprüche oder 
Beschwerden von Privatpersonen nicht in Angelegenheiten ein- 
greifen sollen, welche dem Bereiche der bürgerlichen oder Straf- 
rechtspflege oder Entscheidung im Verwaltungswege angehören, es 
sei denn, dass es sich um Rechtsverweigerung, um ungewöhnliche 
oder ungesetzliche Rechtsverzögerung oder um Nichtvollstreckung 
eines rechtskräftigen Urtheils handelt, oder endlich, dass nach Er- 
schöpfung der gesetzlichen Rechtsmittel eine klare Verletzung der 
zwischen den beiden vertragschliessenden Theilen bestehenden Ver- 
träge oder der von den gesitteten Nationen allgemein anerkannten 
  
6) Vergl. unten 8 35 I, sowie v. Verdy du Vernois, Die Frage 
der heiligen Stätten, ein Beitrag zur Geschichte der völkerrechtlichen Be- 
ziehungen der ottomanischen Pforte. Diss. 1901.
	        
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