Full text: Das Völkerrecht.

8 20. Die rechtserheblichen Tatsachen. 167 
Die Rechtfertigung dieses auf den ersten Blick auffallenden 
Satzes liegt in einem doppelten: a) in der Bedeutung, die der 
stillschweigenden Zustimmung desjenigen Staates, der durch eine 
Verschiebung der völkerrechtlichen Beziehungen in seinen Interessen 
betroffen wird, zukommt (unten II 3); b) in der unmittelbar recht- 
begründenden Wirkung, die auf dem Gebiete des Völkerrechts 
die Gewalt, vor allem als Eroberung, hat (oben 8.10 I2). Die 
kriegerische Erwerbung eines fremden Staatsgebietes erstreckt, 
ganz abgesehen von dem Friedensvertrage, die Staatsgewalt des 
erobernden Staates ohne weiteres auch auf das neuerworbene 
Gebiet, ohne daß es einer Ersitzung im Sinne des Privatrechts, 
insbesondere also des Ablaufes eines längeren Zeitraums, bedarf; 
und wenn ein Staat zuläßt, daß seine Kolonien von einem andern 
Staat besetzt und verwaltet werden, so muß ein Verzicht auf die 
ihm zustehenden Rechte angenommen werden, ohne daß erst die 
Verjährung seiner Ansprüche durch den Ablauf der Zeit abgewartet 
'zu werden braucht. 
2. Willkürliehe menschliehe Handlungen. Unter diesen treten, 
wie auf dem Gebiete des nationalen Rechtes, zwei Gruppen hervor: 
Die Rechtsgeschäfte einerseits, von denen hier die Rede sein soll, und 
‘die Delikte andrerselts, die unten in 8 24 behandelt werden. Neben 
den Beehtsgeschäften stehen die rechtsgeschäftlichıen Handlungen 
(„natürliche“ Rechtshandlungen), unter welchen die Eroberung als 
originäre Erwerbsart eine hervorragende Rolle spielt (oben $ 1012). 
u. Völkerrechtliches Reehtsgeschäft ist die auf Herbeiführung einer 
völkerreehtliehen Wirkung (Begründung, Aufhebung, Änderung eines 
völkerreehtlichen Beechtsverhältnisses) gerichtete Willenserklärung. 
Unter den Rechtsgeschäften sind die zweiseitigen, die Ver- 
träge, von besonderer Bedeutung (unten $ 21). Die völkerrecht- 
lichen Rechtsgeschäfte sind sämtlich Rechtsgeschäfte unter Lebenden, 
‚denn: „der Staat stirbt nicht“. 
  
vergl. Audinet, R.G. III 313. Gegen sie spricht die Tatsache, daß auch 
dem nationalen Staatsrechte, von besonderen Bestimmungen abgesehen, das 
Rechtsinstitat der Verjährung fremd geblieben ist.
	        
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