168 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr der Staaten im allgemeinen.
1. Die Willenserklärung muß von dem dazu berufenen Organ
des Staates ausgehen.
a) Ohne weitere Vollmacht sind das Staatshaupt und der Minister
des Auswärtigen zu jeder reehtsgeschäftlichen Willenserklärung
befugt.
Auch das geisteskranke Staatshaupt kann, so lange es tat-
sächlich an der Spitze seines Staates steht, eine Kriegserklärung
mit allen rechtlichen Wirkungen erlassen. Staatsrechtliche Be-
schränkungen der Vertretungsbefugnis, die etwa den Monarchen
an die Zustimmung der Volksvertretung oder den Minister an die
Genehmigung des Staatshauptes binden, kommen auch völkerrecht-
lich in Betracht (oben $ 13 I 2). Umgekehrt ist die Willens-
erklärung des absoluten Monarchen für den von ihm beherrschten
Staat ohne weiteres verbindlich. Das oben $ 19 I 2 erwähnte
„Testament“ des Königs der Belgier ist ein den Kongostaat ver-
pflichtender Staatsakt.
b) Die diplomatischen Agenten vertreten den Staat innerhalb der
ihnen erteilten Vollmacht. Dureh die von ihnen abgegebene
Erklärung wird mithin der Absendestaat berechtigt oder ver-
pflichtet. Doch wird bei Staatsverträgen zumeist (unten 8 21)
außer der Erklärung des Bevollmächtigten noch die hinzu-
tretende feierliche Genehmigung des Staatshauptes (die so-
genannte Ratifikation) verlangt.
e) Willenserklärungen, die von einzelnen Staatsangehörigen aus-
gehen, mögen diese auch in beamteter Stellung sich befinden,
bedürfen, um den Staat zu berechtigen oder zu verpflichten,
der nachfolgenden Genehmigung der Staatsgewalt.
d) Die empfangsbedürftige Willenserklärung muß dem zu ihrem
Empfang befugten Vertreter des andern Staates gegenüber
abgegeben werden und erzeugt erst mit der Entgegennahme
durch diesen ihre rechtlichen Wirkungen.
Sie kann daher, wenn sie von dem Staate A dem’ Staate B
abgegeben werden soll, entweder an den bei dem Staate A be-
glaubigten Vertreter des Staates B durch den Minister des Aus-
wärtigen des Staates A oder aber durch den bei dem Staate B