170 II. Buch. Der völkerrechtliche Verkehr der Staaten im allgemeinen.
herrschaft unvereinbar gewordenen Verträge mit dem Staate B
erlangt haben. Geht ein Staat oder ein Staatsteil, in welchem
bisher das System der Kapitulationen bestand, in die Herrschaft
eines Mitgliedes der Völkerrechtsgemeinschaft über, so liegt in der
stillschweigenden Anerkennung dieser Veränderung zugleich die
Einwilligung in die Aufhebung der konsularischen Gerichtsbarkeit
(oben $ 15 IV).
4. Die völkerrechtliche Willenserklärung ist an eine bestimmte
Form nicht gebunden, doch ist Schriftlichkeit der Erklärung die fast
allgemeine Begel.
Die von den Staaten beobachteten Grundsätze über die in
Verträgen sowie auch auf Kongressen und Konferenzen gebrauchte
Sprache gehören nicht dem Völkerrecht an, sondern der inter-
nationalen Courtoisie (vergl. Art. 120 der Wiener Schlußakte über
den Gebrauch der französischen Sprache).
5. Die Willenserklärung kann eine unbedingte oder eine be-
dingte sein.
So hat Frankreich die englische Schutzherrschaft über Zanzibar
(seit 1890) nur unter der Bedingung anerkannt, daß England die
französische Schutzherrschaft über Madagaskar (seit 1885) aner-
kenne. Häufig kommt es ferner vor, daß ein Staat auf ein ihm
zustehendes Recht (z. B. die konsularische Gerichtsbarkeit) nur unter
der Bedingung verzichtet, daß derselbe Verzicht auch von den übrigen
beteiligten Staaten ausgesprochen werde (oben $ 15 IV).
Dabei sind die der allgemeinen Rechtslehre angehörenden
Begriffe der aufschiebenden wie der auflösenden Bedingung, sowie
der von der Bedingung zu unterscheidenden Auflage, sinngemäß
zur Anwendung zu bringen (oben $ 5 IV). Nichteintritt der auf-
schiebenden oder Eintritt der auflösenden Bedingung hat die Un-
wirksamkeit der abgegebenen Willenserklärung zur Folge; doch
tritt diese Wirkung nicht ipso jure, sondern nur dann ein, wenn
der Staat, der die Willenserklärung abgegeben hat, sich auf jene
Unwirksamkeit beruft: denn auch hier gilt das Stillschweigen als
Zustimmung.