Full text: Das Völkerrecht.

8 21. Die völkerrechtlichen Verträge. 171 
6. Die Willenserklärung kann angefochten werden wegen wesent- 
lichen. Irrtums des Erklärenden oder wegen eines auf die Person des 
Erklärenden ausgetibten Zwanges. 
Keine Ausnahme bilden die Kriegsverträge mit Einschluß des 
Friedensvertrages. Auch diese können nur angefochten werden, 
wenn gegen den vertragschließenden Vertreter des Staates Zwang 
geübt worden ist, nicht aber, weil der unterlegene Staat selbst 
sich in einer Zwangslage befunden hat. Nicht die Kriegsgefangen- 
schaft an sich, wohl aber der zu ihr hinzutretende völkerrechts- 
widrige Zwang bildet einen Anfechtungsgrund. Der Friedensvertrag, 
den das in Kriegsgefangenschaft befindliche, im Lande des Er- 
oberers weilende Staatshaupt abgeschlossen hat, bindet den von 
ihm vertretenen Staat, soweit nicht etwa die Kriegsgefangenschaft 
selbst unmittelbar oder mittelbar nach dem Staatsrecht seines Staates 
ihm die Vertretungsbefugnis entzogen hat. 
$ 21. Die völkerrechtlichen Verträge. ! 
I. Völkerrechtlicher Vertrag ist die zwischen zwei oder mehreren 
Staaten tiber staatliche Hoheitsrechte zustande gekommene Willens- 
einigung.? 
1. Die Fähigkeit, Verträge zu schließen, ist Ausfluß der Sou- 
veränität. Doch pflegt halbsouveränen Staaten meist das Recht ein- 
geräumt zu sein, auf nichtpolitischem Gebiet Verträge, insbesondere 
Handelsverträge, zu schließen (oben 5 6 IV 1). 
So hat Ägypten nach dem Firman vom 20. Januar 1879 das 
Recht, alle Verträge abzuschließen und zu vereinbaren, die das 
Zollwesen, den Handel, die Fremdenpolizei und die Beziehungen 
  
1) Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatsverträge. 1880. Selig- 
mann, Abschluß und Wirksamkeit der Staatsverträge. 1890. Nippold, 
Der völkerrechtliche Vertrag, seine Stellung im Rechtssystem und seine 
Bedeutung für das internationale Recht. 1894. Wegmann, Die Ratifikation 
von Staatsverträgen. 1892. Stoerk in Stengels Wörterbuch des deutschen 
Verwaltungsrechts II 516. Laband, Staatsrecht 4. Aufl. II114. Leoni, 
L.A.1498. Heilborn, L.A. XIII 141. 
2) Der völkerrechtliche Vertrag kommt hier nur als Rechtsgeschäft, 
nicht als Rechtssatzung in Betracht; vergl. darüber oben $ 2 Note 4.
	        
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