Full text: Das Völkerrecht.

823. Rechtsnachfolge bei Gebietsveränderungen. 189 
Das ist das sogenannte Prinzip der „beweglichen Ver- 
tragsgrenzen“, das auch in den Handelsverträgen des Deutschen 
Reichs zur ausdrücklichen Anerkennung gelangt ist. So sagt Art. XII 
des deutsch-belgischen Handelsvertrages vom 6. Dezember 1891 
(Fassung vom 22. Juni 1904): „Der gegenwärtige Vertrag erstreckt 
sich auch auf die mit einem der vertragschließenden Teile gegen- 
wärtig oder künftig zollgeeinten Länder oder Gebiete.“ 
Nach jenem Prinzip war mithin mit der Angliederung von 
Eisaß-Lothringen an das Deutsche Reich der französisch - schweize- 
rische Vertrag über das internationale Privatrecht vom 15. Juni 1869 
für jene Gebiete außer Kraft getreten. Das aufgestellte Prinzip gilt 
auch von den Garantieverträgen. Hat ein Staat oder haben mehrere 
einem andern Staat die Integrität seines Gebietes garantiert, so er- 
streckt sich die Garantie auch auf die von diesem Staate neu erwor- 
benen Gebiete. Will der garantierende Staat diesen seine Verpflich- 
tung erweiternden Erfolg nicht eintreten lassen, so muß er gegen 
die Neuerwerbung Einspruch erheben. Umgekehrt bleibt die Garantie 
auch für das verkleinerte Gebiet bestehen, während der Staat, der 
ein Stück des garantierten Staates erwirbt, in die Rechtsverhält- 
nisse des garantierten Staates nur dann eintritt, wenn diese auf 
dem erworbenen Gebiete lokalisiert sind. 
V. Ein dureh Losreißung vom Mutterland neugebildeter Staat wird 
durch die von jenem geschlossenen Verträge weder berechtigt noch 
verpflichtet. 
Er ist zunächst nur an die allgemeinen Rechtsregeln des 
Völkerrechtes gebunden und hat sich im übrigen seine Rechts- 
stellung den übrigen Staaten gegenüber erst durch besondere Ver- 
einbarungen nach seinem souveränen Ermessen zu schaffen. 
Selbstverständlich aber kann die Anerkennung des neuen 
Gliedes der Völkerrechtsgemeinschaft durch die übrigen Staaten an 
die Bedingung geknüpft werden, daß es die Verpflichtungen des 
Mutterlandes, z. B. bezüglich der konsularischen Jurisdiktion, über- 
nimmt. Dies ist auf dem Berliner Kongreß von 1878 den neuen 
Balkanstaaten gegenüber in mehrfacher Beziehung geschehen.
	        
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