196 II. Buch. Der völkerrechtliche. Verkehr der Staaten im allgemeinen.
‚Auf dem Begriff des Notstandes beruht denn ‚auch eine ganze
Reihe von allgemein anerkannten, wenn auch meist nicht. unter
ihn. gebrachten Rechtsgrundsätzen. So die Anerkennung einer die
‚Rechtsregeln der Kriegführung einschränkenden oder aufhebenden
„Kriegsraison“ (n6cessit6 ou. raison de guerre). ‚Ferner. der
‚sogenannte ‚arröt de prince, d.h. die Anordnung, daß fremde
‚Handelsschiffe, insbesondere Schiffe der neutralen Mächte, in den
‚Häfen zurückzubleiben haben, bis geheimzuhaltende militärische
‚Operationen gesichert sind. Ebenso die Angarie (jus angariae),
d..h. die Verwendung von Schiffen und Wagen, die im Privat-
eigentum von ‚Angehörigen des feindlichen Staates oder auch neu-
traler Mächte stehen, zu militärischen Transporten im Kriege oder
zu anderen militärischen Operationen; eine Maßregel, die, nur durch
den Notstand gerechtfertigt und stets mit Entschädigungspflicht
verknüpft, auch während. des deutsch-französischen Krieges mehr-
fach zur Anwendung gelangt ist. So haben die Deutschen, bei
Duglair englische: Schiffe versenkt, um die Seine für die: franzö-
sischen Kriegsfahrzeuge zu sperren. Auf dem Notstande beruht
endlich auch das Recht der Seeschiffe, der Kriegsschiffe wie der
Handelsschiffe, zur reläche forcöe, d. h. zum Aufenthalt in einem
ihnen sonst verschlossenen Hafen, wenn sie durch Seenot dazu
gezwungen sind (unten $ 25 V).
V. Die Rechtsfolgen des völkerrechtliehen Deliktes sind vielgestal-
tiger, als die in dem nationalen Recht aufgestellten Rechtsfolgen des
privatrechtlichen Deliktes oder des strafrechtlichen Verbrechens.
1. Der schuldige Staat hat zunächst, soweit das möglich ist,
den früheren Zustand wieder herzustellen und eine Entschädigung in
Geld zu leisten. |
Diese kann sich naturgemäß nicht auf vermögensreehfliche
Interessen ‚beschränken, da bei allen gegen den Staat selbst. ge-
richteten Verletzungen staatliche Hoheitsrechte in Frage stehen:
2. Über die Entschädigung hinaus ist in allen schwereren Fällen
Genugtuung zu leisten, die in einer Huldigung. ver der verletzten