210 III. Buch. Regelung und Verwaltung gemeinsamer Interessen.
oder abgeleitete Erwerb der Gebietshoheit über Teile des offenen
Meeres ist völkerrechtlieh unmöglich. Das Meer Ist nieht res nullius,
sondern res eommunis omnium. Jeder Staat hat das Reeht, Handels-
sehiffe und Kriegsschiffe im Frieden wie im Krieg unter seiner Flagge
und unter der ausschließlichen Herrsehaft seiner Gesetze die hohe See
befahren zu lassen und den unerschöpfliehen Reichtum, den die Tiefen
des Meeres bieten, durch seine Fischerei für sich zu verwerten. Im
Kriege gehört auch das Meer, unbeschadet der Rechte der Neutralen,
zum Kriegssehauplatz (unten 8 40 I).
Der Grundsatz der Meeresfreiheit ist bereits von H. Groot
in seiner Jugendschrift „mare liberum seu de jure quod Batavis
competit ad Indica commercia‘“ 1609 gegen die weitgehenden An-
sprüche Englands vertreten worden. Er gelangte, trotz Seldens
„mare clausum“ 1635 (geschrieben 1618) und Cromwells Navi-
gationsakte von 1651, namentlich seit Bynkershoeks Schrift
„de dominio maris“ 1702 zur allgemeinen Anerkennung und wird
beute von keiner Seite mehr in Frage gestellt.
I. Aber die Durchführung dieses an sich unbestrittenen Grund-
satzes stößt auf nicht unbedeutende Schwierigkeiten.
1. Binnenmeere im weiteren Sinne des Wortes sind nicht mehr
„geschlossene Meere‘‘ (mare elausum, oben 39 IV 2), wenn sie vom
Staatsgebiet mehrerer Uferstaaten umschlossen werden, mag auch die
Verbindung zwischen ihnen und der offenen See durch einen einzigen
Staat vom Ufer her beherrscht werden können. Auch für sie gilt unter
dieser Voraussetzung der Grundsatz der Meeresfreiheit.
Geschlossene Binnenseen sind demnach das Asowsche Meer,
der Rigasche Meerbusen, die Zuidersee. Teile des offenen Meeres
sind dagegen die Ostsee (die im Krimkrieg, wie im deutsch-
französischen Krieg Kriegsschauplatz war)?; das Schwarze Meer,
das Beringmeer (Schiedsrichterspruch von. 1893 gegen die An-
sprüche der Vereinigten Staaten) usw.
2. Jedoch kann durch Vereinbarung der Mächte die sogenannte
Neutralisierung von solchen, an der Freiheit der offenen See tell-
2) Dagegen Perels 160, der die Schließung der Ostsee im Kriege
für zulässig hält, wenn die Ostseemächte sämtlich neutral bleiben.