Full text: Das Völkerrecht.

8 32. Fortsetzung. Das Auslieferungswesen. 263 
Recht des Zufluchtsstaates, nicht aber des flüchtigen Verbrechers, 
Der Zufluchtestaat ist aber zur Auslieferung nur verpflichtet, 
soweit er diese Pflicht ausdrücklich auf sich genommen hat. Dabei 
ist es völkerrechtlich ohne jede Bedeutung, ob in dem einzelnen 
Staate das Auslieferungswesen durch besondere Staatsgesetze ge- 
regelt ist oder nicht. Denn diese Gesetze binden die Staatsgewalt 
aur nach innen als die unverrückbare Grundlage der abzuschließenden 
Verträge; völkerrechtlich kommen nur die Verträge in Betracht. Die 
von verschiedenen Seiten vorgeschlagene Bildung eines internationalen 
Auslieferungsverbandes,? welcher für die Verbandsstaaten gemein- 
same Grundsätze der Auslieferung festlegen würde, ist bisher über 
die Stufe akademischer Erörterungen nicht hinausgekommen. Die 
Voraussetzungen der Auslieferung und das Auslieferungsverfahren 
werden gegenwärtig durch eine kaum übersehbare Menge von 
Einzelverträgen geregelt, die, zwischen den verschiedenen Staaten 
abgeschlossen, nur in den allgemeinen Grundzügen überein- 
stimmen. Nur soweit solche Übereinstimmung sich feststellen läßt, 
kann von allgemeinen völkerrechtlichen Rechtsnormen gesprochen 
werden. 
I. Die Auslieferungspfliceht erstreckt sieh nur auf die in dem Ver- 
trage ausdrücklich aufgezählten Delikte. Ausgenommen sind zumeist, 
aber durchaus nieht immer, die politischen Verbrechen. 
Unter den „Auslieferungsdelikten* pflegen die leichtern Fälle 
zu fehlen: so fahrlässige Vergehen, Zweikampf, manche Sittlich- 
keitsdelikte, Religionsvergehen, Verletzung militärischer Pflichten 
(abgesehen von älteren Kartellen), Zoll- und Steuerkontraven- 
tionen USW. 
Der Ausschluß der politischen Verbrechen führt zurück auf 
ein belgisches Gesetz von 1833, durch welches für den Abschluß 
von Auslieferungsverträgen der Grundsatz aufgestellt wurde: „qu’il 
  
2) Vergl. v. Liszt, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissen- 
schaft II 60 (Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge. 1. Band. 1905. S. 90), 
v. Martitz DI 767.
	        
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