$ 32. Fortsetzung. Das Auslieferungswesen. 265
„Ne sera pas r&patö delit politique ni fait connexe & un semblable
delit, l’attentat contre la personne du chef d’un gouvernement
etranger ou contre celle d’un membre de sa famille, lorsque cet
attentat constitue le fait, soit de meurtre, soit d’assassinat, soit
d’empoisonnement“. Auch die deutschen Verträge seit 1874 haben
meist diese Klausel aufgenommen; sie findet sich dagegen nicht
in den von Italien, Großbritannien und der Schweiz abgeschlossenen
Verträgen.
III. Die Auslieferung findet nur statt, wenn die Handlung nach
dem Gesetz beider Staaten, des ersuchenden und des ersuchten, straf-
bar ist; sie wird nieht gewährt, wenn die Strafbarkeit nach dem
Recht des einen oder des andern der beiden Staaten ausgeschlossen
oder aufgehoben Ist.
Die Auslieferung wird daher z. B. versagt, wenn nach dem
Recht des ersuchten Staates die Verjährung eingetreten ist, mag
auch nach der Gesetzgebung des ersuchenden Staates die Tat noch
nicht verjährt sein. Sie wird ferner versagt, wenn wegen derselben
Tat bereits durch die Gerichte des ersuchten Staates entschieden ist.
Dieser Satz, der sich in den meisten Auslieferungsverträgen
der verschiedenen Staaten ausdrücklich ausgesprochen findet, steht
im Widerspruch zu der grundsätzlichen Auffassung der Ausliefe-
rung als eines Aktes der Rechtshilfe; denn diese setzt lediglich
voraus, daß aus der Tat für den ersuchenden Staat ein Straf-
anspruch entstanden sei, zu dessen Durchsetzung der ersuchte-
Staat seine Hilfe leistet. Dennoch wäre es durchaus verkehrt, aus:
dieser Inkonsequenz die Verwerfung jener grundsätzlichen Auf-
fassung abzuleiten und die Auslieferung als einen Akt der kosmo--
politischen Rechtspflege aufzufassen.®
IV. Nieht ausgeliefert werden nach der kontinental- europäischen.
Rechtsanschauung die eigenen Staatsangehörigen, auch wenn sie das-
Verbrechen im Auslande begangen haben.
3) Gegen die abweichende Auffassung von Lammasch vergleiche
v. Liszt, Zeitschrift II 60 (Aufsätze I 90) und v. Martitz I 440.