Full text: Das Völkerrecht.

302 IV.Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung. 
die Vermittlung der übrigen, am Streite unbeteiligten Unterzeichner 
des Vertrags anzunehmen. Und das 23. Protokoll vom 14. April 
1856 sprach den Wunsch aus, daß die Mächte in allen Streitig- 
keiten die guten Dienste eines befreundeten Staates anrufen sollten, 
ehe sie das Glück der Waffen versuchten. Nach diesem Vorbild 
findet sich mehrfach auch in neueren Kollektivverträgen die 
Verpflichtung der Vertragsmächte, ehe sie wegen der zwischen 
ihnen ausgebrochenen Streitigkeiten zu den Waffen greifen, die 
guten Dienste oder die Vermittlung befreundeter Mächte in An- 
spruch zu nehmen. Vergl. insbesondere Art. 11 und 12 der Kongo- 
akte vom 26. Februar 1885. Die Vermittlung kann auch durch 
Einberufung eines Staatenkongresses erfolgen (Deutschland als „ehr- 
licher Makler‘ im Jahre 1878). 
Eine wertvolle Weiterbildung hat das Institut der Vermittlung 
durch die erste Konvention der Haager Akte vom 29. Juli 1899 
(Art. 2 bis 8) erfahren. Die Signatarmächte „kommen überein“, 
bevor sie zu den Waffen greifen, die guten Dienste oder die Ver- 
mittlung einer befreundeten Macht anzurufen, „soweit dies die 
Umstände gestatten werden“; den am Streit nicht beteiligten 
Mächten wird ausdrücklich das Recht eingeräumt, ihre guten Dienste 
oder ihre Vermittlung anzubieten, und die Ausübung dieses Rechts 
kann niemals als eine „unfreundliche Handlung“ (un acte peu amical) 
betrachtet werden. Durch die Annahme der Vermittlung wird die 
Eröffnung oder die Fortsetzung der Feindseligkeiten nicht gehemmt. 
Ausdrücklich wird hervorgehoben, daß die Vermittlung „ausschließ- 
lich die Bedeutung eines Rates und niemals verbindliche Kraft 
hat“. Neben dieser allgemeinen Vermittlung kennt die Konvention 
aber noch eine „besondere Vermittlung‘ .(mödiation spe&ciale, Art. 8), 
die den „Sekundanten‘“ beim Zweikampf nachgebildet ist. Sie be- 
steht darin, daß jede der beiden streitenden Mächte eine andere 
Macht wählt, die sie mit der Aufgabe betraut, in unmittelbare 
Verbindung mit der von der andern Seite gewählten Macht zu 
treten, um den Bruch der friedlichen Beziehungen: zu verhüten. 
Während der Dauer dieses Auftrages, die, von besonderer Verein-
	        
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