314 IV. Buch. Die Staatenstreitigkeiten und deren Austragung.
möglich zwischen den Gliedern einer Personalunion oder eines
Staatenbundes.
2. Die Aufständischen können, wenn sie einen Teil des Staats-
gebietes tatsächlich besetzt halten und geordnet verwalten, sowie
regelmäßige Verbindungen mit den tbrigen Staaten zu unterhalten
in der Lage sind, als kriegführende Macht (partie belligörante) an-
erkannt werden.
Die Anerkennung bindet nur den anerkennenden Staat; sie
verpflichtet ihn vor allem zur Neutralität. Sie verpflichtet aber
auch die anerkannte Partei, sich den Rechtsregeln des Völkerrechts
zu unterwerfen. Vorzeitige Anerkennung (wenn deren Voraus-
setzungen noch nicht vorliegen) erscheint als völkerrechtswidrige
Intervention (oben $ 7 II).?
3. Halbsouveräne Staaten haben das Kriegsrecht nur auf Grund
besonderer Vereinbarungen mit dem schtitzenden Staat oder auf rund
eines besonderen Gewohnheitsreehtes (oben 8 6 IV 1).
So hat Ägypten eine Reihe von selbständigen Kriegen in
Afrika geführt. Bulgarien hat 1885 anerkannt, daß es das Recht
der Kriegführung nicht habe.
4. Der Krieg des geschützten Staates gegen den Schutzstaat muß
dagegen stets als innerer Kampf betrachtet werden, der den nicht be-
telligten Mächten die Pflicht der Neutrulität nicht auferlegt.’
5. Dauernd neutralisierte Staaten haben, vom Notstand ab-
gesehen, das Recht der Kriegführung nicht (oben 8 6 II).
Genauer gesprochen: Der von dem neutralisierten Staate
ausgehende Angriff hat alle die Rechtswirkungen, die mit dem
Ausbruch des Krieges verbunden sind; aber der neutralisierte Staat
verletzt eben durch den Beginn der Feindseligkeiten die ihm auf-
2) Föraud-Giraud, R. G. III 277. — Vergl. die Verhandlungen
des Instituts für Völkerrecht von 1900 (Annuaire XVII).
3) Sehr bestritten; vergl. Fauchille, R. G. II 156, Föraud-
Giraud, R.G.11295; dagegen Brusa, R.G.IV 157, Rivier, Principes II
209, Fedozzi, R. J. XXVIII 591, Despagnet, Essai sur le protectorat.
1896, 8. 336, 372.