$3. Geschichte des Völkerrechts. 3
ist es ihr auch glücklich gelungen, die Angriffe des privatrecht-
lichen Formalismus abzuwehren. Für ihre Lebenskraft legen zahl-
reiche Systeme und Monographien, mehr aber noch die dem Völker-
recht gewidmeten Zeitschriften, ein glänzendes Zeugnis ab.
6. Trotz der vereinzelten kriegerischen Zusammenstöße, die
das letzte Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts aufweist, schien eine neue
Periode des Völkerrechts mit dem Beginn des neuen Jahrhunderts
einsetzen zu wollen. Die Haager Friedenskonferenz bedeutete
nicht nur einen wichtigen Fortschritt in der Humanisierung des
Krieges, sondern sie eröffnete zugleich durch die Einsetzung eines
ständigen Schiedsgerichtshofes die Möglichkeit einer auf dem Rechts-
wege erfolgenden Austragung der Staatenstreitigkeiten. Je mehr die
Überzeugung sich festigte, daß die Aufgabe aufstrebender Staaten
nicht die Erwerbung neuer Besitzungen, sondern die Erschließung
neuer Absatzgebiete ist, je mehr also der Wettbewerb der Staaten
in die friedlichen Wege des Handelsverkehrs gelenkt wurde, desto
größer wurde die Aussicht auf die Einbürgerung des schiedsrichter-
lichen Verfahrens in das Völkerrecht und damit auf die Festigung
der Friedensgemeinschaft der Kulturstaaten.
Auf Veranlassung des Kaisers von Rußland (Schreiben vom
24. August 1898) trat die Friedenskonferenz am 18. Mai 1899 im
Haag zusammen. 26 Staaten waren vertreten: Deutschland, Öster-
reich-Ungarn, Belgien, China, Dänemark, Spanien, die Vereinigten
Staaten von Amerika, die Vereinigtsn Staaten von Mexiko, Frank-
reich, Großbritannien, Griechenland, Italien, Japan, Luxemburg,
Montenegro, die Niederlande, Persien, Portugal, Rumänien, Ruß-
land, Serbien, Siam, Schweden und Norwegen, Schweiz, Türkei,
Bulgarien. Es fehlten also nicht nur die beiden Burenstaaten,
die mit Rücksicht auf England keine Einladung erhalten hatten,
sondern auch die Staaten von Mittel- und Südamerika mit Aus-
nahme von Mexiko, sowie der Kongostaat. Daß der Papst nicht
eingeladen worden war, entsprach durchaus seiner völkerrechtlichen
Stellung (unten $ 5 I). Die Konferenz teilte sich in drei große
Kommissionen, deren erste die in dem kaiserlichen Rundschreiben